Zur Korrelation zwischen dem Wiener Übereinkommen und ECE-Regelungen

Beschluss vom 25.06.2010 auf der Basis der Empfehlung des Ausschusses Fahrzeugtechnik

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2010

Erläuterung

Vom BMVBS wurde der DVR im Sommer 2009 gebeten, eine Stellungnahme zu der Korrelation zwischen dem Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 (Wiener Übereinkommen Straßenverkehr) und den technischen Regelungen der WP 29 (ECE-Regelungen) abzugeben. Im Wiener Übereinkommen wurde festgelegt, dass jeder Fahrzeugführer unter allen Umständen sein Fahrzeug beherrschen muss, um den Sorgfaltspflichten genügen zu können und um ständig in der Lage zu sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen.

Wegen der von den technischen Gremien der ECE (Weltforum zur technischen Harmonisierung von Kraftfahrzeugvorschriften, WP 29) und den Unterarbeitsgruppen betriebenen Berücksichtigung des technischen Fortschritts hatte sich ein Aktualisierungsbedarf für das WÜ ergeben. Da sich die Fahrzeugtechnik fortentwickelt, das WÜ jedoch nur alle fünf bis zehn Jahre aktualisiert wird (zweimal pro Jahr Sitzung der hierzu beauftragten WP 1), stellte sich die Frage, wie künftig sichergestellt werden kann, dass das Übereinkommen mit dem technischen Fortschritt Schritt hält. Seitens des BMVBS wurde befürchtet, dass wichtige Regelungen des Wiener Übereinkommens ausgehöhlt werden.

Eine Anhörung wichtiger Organisationen, Verbände und Firmen aus dem Verkehrsbereich fand am 2. September 2009 in Berlin statt. Der DVR war mit Vertretern der Ausschüsse Recht sowie Fahrzeugtechnik vertreten.

Auf dieser Sitzung haben die DVR-Vertreter auf die Beschlusslage innerhalb des DVR hingewiesen. Im Jahr 2001 war eine Empfehlung des DVR zur „Telematik im Straßenverkehr“ vom Vorstand beschlossen worden. Danach gilt, dass die Einführung von Fahrerassistenzsystemen nicht die Verantwortlichkeit des Fahrers für den Betrieb seines Fahrzeuges einschränken darf. Auch im Jahr 2006 hatte der DVR zu Fragen der Verantwortung des Fahrzeugführers und der Frage des Einflusses von Fahrerassistenzsystemen bezüglich der Fahrzeugführung Stellung genommen.

Die grundsätzliche Haltung stellt sich demnach wie folgt dar:

  1. Die Einführung technischer Systeme wird dann begrüßt, wenn sie nachweislich zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit führen.
  2. Die Verantwortlichkeit des Fahrzeugführers soll durch die Systeme nicht eingeschränkt werden.
  3. Die Übernahme der Fahraufgabe durch Systeme wird akzeptiert, wenn die Fahraufgabe nicht ausreichend bewältigt werden kann. In diesem Fall akzeptiert der DVR auch nichtübersteuerbare, aktiv eingreifende Systeme.

Die Position des Bundesministeriums für europäische Verhandlungen wurde durch die Stellungnahme des DVR, aber auch durch die der anderen geladenen Verbände in den wichtigsten Aussagen gestärkt. D.h., das BMVBS hat sich in den Sitzungen der WP 1 (die letzte Sitzung fand vom 22.-24.03.2010 statt) weiter für die inhaltliche Gültigkeit der Fahrerverantwortung eingesetzt.

Inhaltlich bedeutete dies:

  • Aktualisierung des WÜ bzgl. konkreter technischer Regelungen, die einzelnen EC-Regelungen widersprechen (z.B. dritte Bremsleuchte),
  • Ablehnung einer Generalklausel
  • Erneute Änderung des WÜ bei neuen EC-Regelungen, falls deren Verabschiedung neue Widersprüche hervorruft.

Die Diskussionen zeigten jedoch, dass sich die deutsche Position nicht durchsetzen ließ. Es wurde eine kleine Arbeitsgruppe aus deutschen, französischen, russischen und spanischen Vertretern sowie Mitgliedern der WP 29 gebildet, um Formulierungsvorschläge für eine dauerhafte Lösung im WÜ zu finden. Hierzu hat Frankreich einen ersten Vorschlag gemacht:

In Art 13 soll folgender neuer Abs. 1a aufgenommen werden:

„1.a Die Fahrerassistenzsysteme, die auf die Fahrzeugführung wirken, insbesondere um die Straßenlage oder die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zu verbessern, stehen den in den Absätzen 1 und 5 dieses Artikels sowie den in Artikel 8 Absatz 5 definierten Grundsätzen nicht entgegen, sofern

  • diese Systeme jederzeit abgeschaltet werden können
  • sie sich darauf beschränken, Funktionen technisch zu optimieren, deren Umsetzung allein über den Fahrer erfolgt
  • sie im Notfall zum Einsatz kommen, in denen der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hat oder im Begriff ist, diese Kontrolle zu verlieren.“

Das BMVBS bat u.a. den DVR nunmehr, eine Stellungnahme abzugeben. Wegen der Sitzung des DVR-Vorstands am 25.06.2010 wurde die Rückmeldefrist auf den 28.06.2010 verlängert.

In seiner Sitzung am 22./23.06. hat sich der Ausschuss Fahrzeugtechnik mit dieser Fragestellung beschäftigt. (In Vorbereitung dieser Sitzung hatten die Mitglieder der Ausschüsse Recht und Fahrzeugtechnik die Möglichkeit, sich zu äußern.)

Beschluss

In Art. 13 soll folgender neuer Absatz 1a aufgenommen werden:

„Die Fahrerassistenzsysteme, die auf die Fahrzeugführung wirken, insbesondere um die Lage des Fahrzeugs auf der Fahrbahn oder zu Hindernissen oder zu anderen Verkehrsteilnehmern zu verbessern, stehen in den Absätzen 1 und 5 dieses Artikels sowie den in Artikel 8 Absatz 5 definierten Grundsätzen nicht entgegen, sofern eines oder mehrere der nachfolgenden Kriterien erfüllt sind:

  • Sie können im Bedarfsfall übersteuert und/oder abgeschaltet werden.
  • Sie beschränken sich darauf, Funktionen technisch zu optimieren, deren Umsetzung allein über den Fahrer erfolgt.
  • Sie kommen im Notfall zum Einsatz, wenn der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hat oder im Begriff ist, diese Kontrolle zu verlieren.“

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident