Shared Space

Beschluss des DVR-Gesamtvorstands vom 21. Oktober 2008 auf der Basis der Empfehlung des Ausschusses für Verkehrstechnik

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 21. Oktober 2008

Sachstand

Seit ca. 2 Jahren wird in Deutschland eine intensive fachliche, öffentliche und politische Diskussion darüber geführt, ob mit dem sogenannten „Shared Space“ – Prinzip innerhalb eines schilder- und regelungsfreien Straßenraums eine konfliktfreie(re) Nutzung durch alle Verkehrsteilnehmer stattfinden kann. Dabei ist festzustellen, dass die Darstellung der Inhalte von Shared Space und der damit erreichbaren Ziele oft in hohem Maß überzeichnet bzw. überbewertet wird. Insbesondere besteht die Tendenz, dass Nichtfachleute diesen raum- und verkehrsplanerischen Ansatz als vermeintliches Allheilmittel für innerstädtische Verkehrsprobleme interpretieren.

Die Idee „Shared Space“ wurde am niederländischen Keuninginstitut für soziale Studien in Groningen entwickelt und definiert als Grundprinzip die Stärkung der Selbstverantwortung im Straßenverkehr sowie den daraus abgeleiteten Verzicht auf Beschilderung, Markierung und Lichtsignalanlagen. Hauptvoraussetzung ist dabei eine funktionierende Netzhierarchie in Form eines „schnellen“ und „langsamen“ Straßennetzes und eines „selbsterklärenden“ Straßenraumes. Gefordert wird die Aufhebung des Trennungsprinzips der Verkehrsarten und letztlich eine Änderung des Verkehrsverhaltens, die einem „sozialen“ Verkehrsverhalten entsprechen soll.

Es ist bekannt, dass in Deutschland bereits die Vorstufe von Shared Space, der nach dem Mischprinzip organisierte sogenannte „verkehrsberuhigte Bereich“ mit Schrittgeschwindigkeit für den Fahrzeugverkehr als zulässiger maximaler Geschwindigkeit nicht ohne zusätzliche bauliche Maßnahmen funktioniert. Dies begründet sich einerseits in der Unkenntnis der Regeln und den zu hohen Geschwindigkeiten, andererseits sind oft auch die baulichen und verkehrlichen Voraussetzungen nicht gegeben, wenn Fahrgassenversätze nicht tief genug, Verkehrsstärken zu hoch und die Fahrtweiten zu groß sind. Dies führt dann in der Regel zu einer Verschlechterung der Verkehrssicherheit.

Die bisher von den Anwendern von Shared Space veröffentlichten Unfallzahlen und Wirksamkeitsdaten sind nicht überzeugend, weil in der Regel kleine Zahlen anstehen und keine Kontrollgruppen beachtet wurden.

Beschluss zu Shared Space

Das Shared Space - Prinzip „Sicherheit durch Verunsicherung der Verkehrsteilnehmer“ kann allenfalls als Nischenlösung im Rahmen verkehrsplanerischer und städtebaulicher Detailarbeit Anwendung finden, wenn zuvor sichergestellt wurde, dass die Verkehrssicherheit insbesondere der schwachen Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet wird. Dies bedeutet z.B., dass derartige Maßnahmen nicht angewendet werden sollten bei

  • Straßen mit hoher Verkehrsbelastung (DTV>3000)
  • Straßen mit hohem Durchgangs- und Schwerverkehr
  • hohem Parkdruck
  • Straßen im Umfeld von Schulen und Kindergärten
  • Straßen, die verstärkt von mobilitätseingeschränkten Personen genutzt werden.

Darüber hinaus fordert der DVR-Gesamtvorstand, dass

  • eine Einbindung der örtlichen Unfallkommissionen,
  • eine genaue Analyse des Unfallgeschehens und
  • eine detaillierte Wirksamkeitsanalyse der durchgeführten Maßnahmen

erfolgen müssen. Dabei soll das „Shared Space“-Prinzip zunächst nur in wenigen ausgewählten Modellstädten getestet werden.

gez.
Prof. Manfred Bandmann
Präsident