Notbrems-Assistenzsysteme für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge

Beschluss vom 9. September 2016 auf der Basis der Empfehlungen des DVR-Vorstandsausschusses Fahrzeugtechnik

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2016

Erläuterung

Der DVR unterstützt seit Jahren die Entwicklung und Verwendung von Fahrerassistenzsystemen, da diese zu einer erheblichen Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen. 1 Ein sehr hohes Potenzial zur Unfallvermeidung bzw. zur Unfallfolgenminderung besteht in der Verwendung von Notbrems-Assistenzsystemen. Dies belegen Studien, u.a. der Unfallforschung der Versicherer (UDV) 2, der Transport Research Laboratories (TRL) 3, des Insurance Institute for Highway Safety (IIHS) 4 oder der Allianz Versicherungs-AG 5.

Die Grundfunktionen von Notbrems-Assistenzsystemen bestehen darin, eine drohende Kollision mit vorausfahrenden bzw. stehenden Fahrzeugen zu verhindern oder zumindest die Unfallfolgen zu mindern. Dies kann durch eine Warnung des Fahrers/der Fahrerin und ggf. selbstständiges Bremsen des Fahrzeugs erfolgen. Systeme mit weiter entwickelten Funktionen reagieren auch auf Fußgängerinnen und Fußgänger, Rad Fahrende und weitere am Verkehr Teilnehmende.

Die Europäische „General Safety Regulation“ (661/2009/EG) schreibt bereits die Ausstattung von Nutzfahrzeugen (außer Kategorie N1) und Omnibussen mit Notbrems-Assistenzsystemen vor. 6

Verbraucherschutzinitiativen wie Euro NCAP 7 honorieren schon heute die serienmäßige Ausstattung von Fahrzeugen mit Notbrems-Assistenzsystemen. Insbesondere können Fahrzeugmodelle die Fünf-Sterne-Wertung nur dann erreichen, wenn sie umfassend mit Fahrerassistenzsystemen, wie z.B. Notbrems- Assistenzsystemen, ausgestattet sind.

Nach einer ADAC-Studie werden bereits heute für ca. 85% aller Pkw-Modelle Notbrems-Assistenzsysteme angeboten. 8Der DVR geht deshalb davon aus, dass es keine technischen Hindernisse gibt, neue Fahrzeuge zukünftig mit Notbrems-Assistenzsystemen auszustatten.

Der DVR schätzt, dass moderne Notbrems-Assistenzsysteme bei flächendeckender Ausstattung je nach Funktionsumfang 20% bis 40% der Pkw-zu-Pkw-Unfälle mit Personenschäden positiv beeinflussen oder verhindern. Der DVR setzt sich daher dafür ein, dass zunächst die Grundfunktionen (Erkennung von Fahrzeugen), später auch die erweiterten Funktionen (Erkennung von Rad Fahrenden und Zu Fuß Gehenden) von Notbrems-Assistenzsystemen umgesetzt werden.

Bei der Entwicklung der Notbrems-Assistenzsysteme müssen die Anforderungen aus dem realen Unfallgeschehen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass Notbrems- Assistenzsysteme auch bei höheren Geschwindigkeiten, z.B. auf Landstraßen oder Autobahnen, wirken müssen. Der Geschwindigkeitsabbau muss dabei mindestens so groß sein, dass die Unfallfolgen gegenüber einer ungebremsten Kollision stark gemindert werden.

Die Europäische Kommission plant im Rahmen der „General Safety Regulation“ ab 2020 die schrittweise verpflichtende Einführung von Notbrems-Assistenzsystemen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in der Europäischen Union.

Beschluss

Notbrems-Assistenzsysteme erhöhen die Verkehrssicherheit. Deshalb begrüßt der DVR alle Maßnahmen von Industrie, Handel, Versicherungen, Flottenbetreibern und anderen Organisationen, die zur Verbreitung von Notbrems-Assistenzsystemen führen.

Der DVR empfiehlt darüber hinaus, Pkw und leichte Nutzfahrzeuge (Kategorien M1 und N1) zukünftig verpflichtend mit Notbrems-Assistenzsystemen auszustatten. Dabei sollen zunächst die Grundfunktionen, später auch die erweiterten Funktionen von Notbrems-Assistenzsystemen umgesetzt werden, die das reale Unfallgeschehen berücksichtigen. Der Geschwindigkeitsabbau muss dabei mindestens so groß sein, dass die Unfallfolgen gegenüber einer ungebremsten Kollision stark gemindert werden.

Der DVR unterstützt daher die Pläne der Europäischen Kommission, im Rahmen der „General Safety Regulation“ Notbrems-Assistenzsysteme zukünftig verpflichtend für Neufahrzeuge in der Europäischen Union vorzuschreiben.

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident


1 Siehe hierzu die Beschlüsse des DVR auf dessen Homepage zu Fahrerassistenzsystemen (2006), zum Wiener Übereinkommen (2010) und zum hochautomatisieren Fahren (2015). Die Kampagne „bester beifahrer" setzt sich seit 2006 für den Einbau und die Verwendung von Fahrerassistenzsystemen ein (bester-beifahrer.de).
2 „Fahrerassistenzsysteme, Ermittlung des Sicherheitspotenzials auf Basis des Schadensgeschehens der Deutschen Versicherer“; Forschungsbericht FS 03; UDV; 2011
3 „Benefit and Feasibility of a Range of New Technologies and Unregulated Measures in the fields of Vehicle Occupant Safety and Protection of Vulnerable Road Users“ Final Report; TRL; 2015
4 Measuring Crash Avoidance System Effectiveness with Insurance Data; IIHS; 2013
5 „Wirksamkeit von Fahrerassistenzsystemen mit zunehmendem Automatisierungsgrad“; AZT Automotive GmbH, 2015
6 Empfehlungen dazu sind in einem separaten DVR-Beschluss behandelt. Siehe hierzu Beschluss des DVR zu „Empfehlungen zu Notbrems-Assistenzsystemen für Nutzfahrzeuge“; 2016.
7 European New Car Assessment Programme
8 ADAC Position zum Notbremsassistenten in Pkw und leichten Nutzfahrzeugen, Stand 01-2016