Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen in der Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung

Beschluss vom 28.10.2020 auf der Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Junge Kraftfahrer

Beschluss

Die zunehmende Integration von Fahrerassistenzsystemen und automatisierten Fahrfunktionen in moderne Kraftfahrzeuge wird die Fahraufgabe für menschliche Fahrerinnen und Fahrer neu strukturieren, (hoch)automatisierte Fahrzeuge werden in der Lage sein, eigenverantwortlich Fahrmanöver durchzuführen, aber auch darauf angewiesen sein, dass die Person hinter dem Steuer in kritischen Situationen den Überblick behält und bei Bedarf (korrigierend) eingreift. Erst bei voll automatisiert agierenden Fahrzeugen im spezifischen Anwendungsfall ist keine (humanoide) fahrende Person mehr erforderlich. Insofern gilt es den Weg der technischen Entwicklung und Anforderung an Fahrende angemessen in den Fahrschulunterricht und die Fahrerlaubnisprüfung zu integrieren.

Die Bundesregierung hat mit ihrer „Strategie zum automatisierten und vernetzten Fahren“ deshalb Leitlinien auf den Weg gebracht, um den Straßenverkehr der Zukunft zu gestalten. Im dazu vorliegenden Ab­schlussbericht wird in Bezug auf die Fahranfängervorbereitung empfoh­len, sowohl die manuelle Fahrzeugführung als auch die Nutzung von Fahrerassistenzsystemen als obligatorische Inhalte in der Fahrausbil­dung und Fahrerlaubnisprüfung zu berücksichtigen.

Dabei sollten nachfolgende Empfehlungen aufgegriffen werden.

Bereits heute müssen grundsätzliche Anforderungen zu Fahrerassistenzsystemen in den rechtlichen Rahmenbedingungen der Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung verankert werden. Da­bei sind Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung aufeinander abzustimmen und weiterzuentwickeln. Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen, wel­che die Längs- und Querführung in einem spezifischen Anwen­dungsfall aktiv und kontinuierlich übernehmen, müssen obligatorischer Bestandteil der Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung sein. Hierzu gehören die „Adaptive Geschwindigkeitsregelanlage (AGR)“ sowie Spurhalteassistent mit Lenkeingriff und aktiver Spurwechselassistent. Im Rahmen der Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung sollten neben den Systemen der Längs- und Querführung auch alle anderen sicherheitsbedeutsamen aktuellen Fahrerassistenzsysteme behandelt werden. Dabei ist das Wissen um Einsatzzweck, Einsatzbedingungen, Systemgrenzen und Anforderungen hinsichtlich der Bedienung, Nutzung und Überwachung der Systeme zu betrachten. Im Prüfungsfahrzeug verfügbare Assistenzsysteme dürfen vom Bewerber/von der Bewerberin im Rahmen der Praktischen Fahrerlaubnisprüfung genutzt werden. Dennoch kann der bzw. die amtlich anerkannte Sachverständige die manuelle Bewältigung der Fahraufgabe fordern. Sowohl die in der Fahrausbildung als auch Fahrerlaubnisprüfung thematisierten bzw. geforderten Fahrerassistenzsysteme müssen aufgrund ihrer zunehmenden Vielfalt und schnellen Weiterent­wicklung kontinuierlich hinsichtlich ihrer Implikation für Fahrausbil­dung und Fahrerlaubnisprüfung bewertet werden. Bei Verbreitung von Assistenzsystemen bzw. automatisierten Fahrfunktionen ab Automatisierungsstufe 3 müssen voraussichtlich weitere Anforderungen zu deren Nutzung beschrieben und geprüft werden (z. B. die sichere Übergabe an das Fahrzeugsystem und die Übernahme vom Fahrzeugsystem). Zur Anpassung der Anforderungen an die Ausbildungsfahrzeuge hinsichtlich des notwendigen Verbaus von Assistenzsystemen sind entsprechende Übergangsfristen festzulegen. Fahrlehrer/Fahrlehrerinnen und Fahrerlaubnisprüfer/Fahrerlaub-nisprüferinnen müssen dahingehend fortgebildet werden.

Erläuterungen

Die vollständige Ausnutzung des Sicherheitspotentials der Automatisierung moderner Kraftfahrzeuge kann nur erfolgen, wenn auch der Fahrer/ die Fahrerin mit seinen/ ihren Motiven und seiner/ ihrer Fahrkompetenz einbezogen wird.

Es lässt sich feststellen, dass zukünftig Kompetenzen zum sicheren Führen eines Fahrzeuges mit teil- bzw. hochautomatisierten Fahrfunktionen zunehmend erforderlich werden. Dies bedeutet in Konsequenz einen Zusatz an auszubildenden und zu prüfenden Inhalten.

Zunächst sollten insbesondere die Anforderungen der heute zur Anwen­dung kommenden Level 2- und Level 3-Automatisierung beschrieben und umgesetzt werden.

Insbesondere für kontinuierlich wirkende automatisierte Systeme (z.B. wie einer automatischen Distanzregelung - Active Cruise Control/ ACC - für die Übernahme der Längsführung oder einem aktiven Spurhalteassistenten zur Übernahme der Querführung) sind didaktische Konzepte zu entwickeln, die zum einen die sichere (und permanente) Überwachung der Systeme sowie deren Übersteuerung als auch mögliche negative Nebeneffekte für den Fahrer/ die Fahrerin (z.B. Fehlbeanspruchung, reduziertes Situationsbewusstsein, überhöhtes Sicherheitsempfinden, Degradierung manueller Fahrkompetenz) aufgreifen.

Der Fahrer/ die Fahrerin muss situative Faktoren mit Blick auf die Funktionsweise des genutzten Systems bewerten und Bedingungen erkennen können, innerhalb derer das System Grenzen erreicht und daher ggf. nicht mehr zuverlässig und sicher regulieren kann.

Sollen zukünftige Ausbildungs-/Prüfungskonzepte auch weitreichende hochautomatisierte Fahrfunktionen abbilden, ist mit hoher Wahrschein­lichkeit der Einsatz von Fahrzeugen mit Automatikgetriebe notwendig.

 

gez.
Prof. Dr. Walter Eichendorf
Präsident