Fahrausbildung und Fahrerlaubnisprüfung auf Kraftfahrzeugen der Klasse B mit Automatikgetriebe

Beschluss vom 28.10.2020 auf der Basis einer Empfehlung des Vorstandsausschusses Junge Kraftfahrer

Vorbemerkung

Mit der ansteigenden Verbreitung innovativer Fahrzeugkonzepte muss eine Einführung alternativer Antriebe (z.B. Elektromobilität) und automatisierter Fahrfunktionen auch in der Fahrausbildung mit geeigneten Mitteln begleitet werden. Da diese Fahrzeugkonzepte in der Regel mit Automatikgetrieben ausgestattet sind, entsteht nach geltenden Regelungen für Fahrerlaubnisbewerbende, die ihre Fahrerlaubnisprüfung mit einem alternativen Antrieb (Automatikfahrzeug) ablegen wollen, aufgrund der Beschränkung nur Automatikfahrzeuge im Anschluss daran führen zu dürfen, ein Nachteil. Dies führt dazu, dass Fahrschulen moderne Fahrzeugkonzepte im Fahrschulbetrieb eher nicht einsetzen.

Daraus resultiert die Notwendigkeit, die Fahrausbildung und deren Regelungen dahingehend zu modernisieren, dass eine Benachteiligung von Fahrerlaubnisbewerbenden, die ihre Ausbildung schwerpunktmäßig auf automatikgetriebenen Fahrzeugen absolvieren und die Fahrerlaubnisprüfung auf einem Fahrzeug mit Automatikgetriebe ablegen, ausgeschlossen wird.

Insofern ist die vorhandene Automatikregelung zu überprüfen und an entsprechender Stelle so anzupassen, dass eine vergleichbar sichere Fahrt nach erfolgreicher Prüfung auf einem Automatikfahrzeug auch in einem Fahrzeug mit manueller Schaltung erfolgen kann.

Unter dieser Voraussetzung sollte eine Beschränkung der Fahrerlaubnis auf Automatikfahrzeuge entfallen und eine Gleichstellung innerhalb der Fahrerlaubnisklasse möglich sein.

Beschluss

Um einem Wegfall der Beschränkung auf das Führen von Kraftfahrzeugen mit Automatikgetrieben nach erfolgreicher Prüfung auf einem solchen Fahrzeug ohne unvertretbare Risiken für den Straßenverkehr zustimmen zu können, sollten folgende Kriterien erfüllt sein:

Die notwendige Schaltkompetenz und die Mindestanforderungen zur Vermittlung der notwendigen Schaltkompetenz für das Führen eines Fahrzeuges mit Schaltgetriebe sind auf wissenschaftlicher Basis zu definieren und entsprechende Vorgaben für die besondere Schulung der Schaltkompetenz im Rahmen einer Automatik-ausbildung zu erlassen.

Die Integration dieser besonderen Schulung der Schaltkompetenz auf Fahrzeugen mit Schaltgetriebe ist über die gesamte (Automatik-)Fahrausbildung (Grundausbildung und besondere Ausbildungsfahrten) im Rahmen eines integrativen Konzepts zu ermöglichen, um eine binnendifferenzierte Ausbildung im realen Verkehr sicherzustellen.

Es sind Regelungen zu finden, die im Sinne der 3. EU-Führerscheinrichtlinie einen Test zur Schaltkompetenz im Fahrschulbetrieb erlauben, ohne eine zusätzliche (Fahr-)Prüfung einzuführen.

Durch eine begleitende Evaluation ist sicherzustellen, dass eine derartige Änderung der rechtlichen Regelungen nicht zu negativen Auswirkungen im Unfallgeschehen führt.

Erläuterungen

Zur Förderung der Fahrausbildung auf Fahrzeugen mit alternativen Antrieben und hochautomatisierten Fahrfunktionen beabsichtigt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die Möglichkeit zu schaffen, auch bei Ablegung der praktischen Fahrerlaubnisprüfung der Klasse B auf einem Fahrzeug ohne Schaltgetriebe die Fahrerlaubnis unbeschränkt zu erteilen, wenn zuvor eine praktische Ausbildung auf einem Fahrzeug mit Schaltgetriebe erfolgte.

Hierfür sind Änderungen in der Fahrerlaubnis-Verordnung und der Fahrschüler-Ausbildungsordnung vorgesehen.

Hierbei wird diskutiert, dass mind. 10 Stunden (á 45 Minuten) auf einem Fahrzeug mit Schaltgetriebe zu absolvieren sind, um die zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs mit manueller Schaltung notwendige Schaltkompetenz heranzubilden. Hier gilt es die notwendige Schaltkompetenz auf wissenschaftlicher Basis zu definieren und darauf basierend die festgeschriebene Mindeststundenzahl festzulegen. 

Nach dem curricularen Leitfaden der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände ist die Schaltkompetenz in der Grundstufe, der Aufbaustufe sowie der Leistungsstufe zu vermitteln. Dies deckt sich mit den Empfehlungen des „Framework for a curriculum (or blueprint) for driver education“ aus dem RUE-Projekt der CIECA. Um eine binnendifferenzierte Ausbildung zu ermöglichen, muss die Integration der Ausbildungsstunden auf Fahrzeugen mit Schaltgetriebe während der gesamten Ausbildung ermöglicht werden. Insbesondere für die Ausbildung auf Elektrofahrzeugen würde der frühe Aufbau von Schaltkompetenz die zielführende Nutzung von Rekuperationsstufen unterstützen.

Zwar fordert die 3. EU-Führerscheinrichtlinie einen „Drivingtest“, um die Kompetenzen zum Führen eines Fahrzeuges nachzuweisen. Eine mögliche Testfahrt zum Nachweis der Schaltkompetenz ist hierbei nicht mit einer Fahrerlaubnisprüfung gleichzusetzen. Hierfür sollte eine qualifizierte Feedback-Fahrt ermöglicht werden, denn die Fahrerlaubnisprüfung ist von einem/einer unabhängigen Sachverständigen oder Prüfer/in im Rahmen des Fahrerlaubniserwerbs durchzuführen und umfasst mehr als die Fahrzeugbeherrschung auf der Manöverebene.

Die Ergebnisse einer begleitenden Evaluation zur angestrebten Regel­änderung können helfen, die Synergien der Lerneffekte in der (dualen) Fahrausbildung zu bestimmen, um i.S. der Verhältnismäßigkeit den zusätzlichen Lernaufwand für den/die Fahrschüler/in bestmöglich eingrenzen zu können, ohne Einbußen bei der Verkehrssicherheit zu riskieren.

 

gez.
Prof. Dr. Walter Eichendorf
Präsident