Müdigkeit im Straßenverkehr

Beschluss des DVR-Gesamtvorstands vom 27.10.2009 auf der Basis der Empfehlungen des Ausschusses für Verkehrsmedizin, Erste Hilfe und Rettungswesen und des Ausschusses für Fahrzeugtechnik

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2009

Erläuterung

Auto fahren über einen längeren Zeitraum erfordert ein hohes Konzentrationsvermögen. Bei Müdigkeit lässt die Konzentrationsfähigkeit des Fahrers deutlich nach. Da im Straßenverkehr vom Fahrer ständige Aufmerksamkeit gefordert wird, kann diese reduzierte Aufmerksamkeit schwerwiegende Folgen haben. Müde Fahrer schätzen Geschwindigkeiten falsch ein, sie berechnen zurückgelegte Strecken und Entfernungen falsch und halten sich für leistungsfähiger, als sie tatsächlich sind. Diese reduzierte Aufmerksamkeit darf nicht mit Ablenkung verwechselt werden, sondern sie resultiert aus einer Minderung der Ressourcen des Fahrers.

Bei Übermüdung droht das ungewollte Einschlafen. Dauert der Schlaf z. B. fünf Sekunden, dann legt ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h in dieser Zeit 140 Meter unkontrolliert zurück.

Faktoren, die Müdigkeit bedingen, sind: Schlafdefizite, Schlafstörungen, Medikamente, situative Faktoren (v. a. lange Belastung), Fahrtdauer und monotone Fahrstrecken. Eine besondere Rolle bei der Entstehung von Müdigkeit spielt der zirkadiane Rhythmus, der den Schlaf-Wach / bzw. Tag-Nacht Zyklus bestimmt.

Beschluss

In Anbetracht dieser Gefährdung, die wissenschaftlich allgemein anerkannt ist, empfehlen die o.g. Ausschüsse ein integratives Konzept zur Prävention dieser Unfallgefahr und der DVR-Vorstand fasst folgenden Beschluss, der die Bereiche Fahrer, Fahrzeug und Forschung in der im Folgenden beschriebenen Weise umfasst.

Fahrer

  1. Es sollte eine Kampagne zur Sensibilisierung aller Verkehrsteilnehmer hinsichtlich der Gefahren von Müdigkeit im Straßenverkehr durchgeführt werden. Dabei soll fundiertes Wissen über die Entstehung, Erkennung und Vermeidung von Müdigkeit vermittelt werden.
     
  2. Die Beratungskompetenz von Hausärzten hinsichtlich der verkehrsrelevanten Auswirkungen von Erkrankungen, die Tagesmüdigkeit verursachen, sollte erhöht werden.
     
  3. Es sollten Instrumente zur Einsatzplanung von Fahrern von Lkws und Kraftomnibussen unter Berücksichtigung des Faktors Müdigkeit entwickelt werden. Die Einhaltung der geltenden Lenk- und Ruhezeiten muss durch Kontrollen hinreichend gewährleistet sein.
     
  4. Aufklärung der Verbraucher über spezielle Fahrerassistenzsysteme, die dabei helfen Müdigkeit zu erkennen, oder bei entsprechenden Fahrmanövern informierend bzw. unterstützend eingreifen.
     

Fahrzeug/Straße

  1. Es sollten Anreizsysteme zur vorzeitigen Einführung von Fahrerassistenzsystemen geschaffen werden, die – wie Notbremssysteme, Spurverlassenswarner oder Müdigkeitserkennungssysteme – Unfälle verhindern können, die durch Müdigkeit verursacht würden.
     
  2. Bei der Weiterentwicklung und Optimierung der Fahrerarbeitsplätze sowie Ruheplätze in Lkw und Kraftomnibussen sollte die Integration intelligenter, ergonomischer Lösungen zur Steigerung des Fahrerkomforts, insbesondere zur Optimierung der Erholungsphasen, vorrangig betrieben werden.
     
  3. Es sollten profilierte Randmarkierungen/Rüttelstreifen an Streckenabschnitten eingesetzt werden, bei denen bei schweren Lkw-Unfällen die Unfallarten „Abkommen von der Fahrbahn nach rechts“, „Abkommen von der Fahrbahn nach links“ bzw. die Unfallursachen „Übermüdung“ oder „Andere Fehler beim Fahrzeugführer“ besonders auffällig waren.
     

Forschung

  1. Notwendig ist eine intensive Forschung, insbesondere auf dem Gebiet valider Messinstrumente. Es zeigt sich, dass für die meisten gebräuchlichen Verfahren eine wissenschaftliche Überprüfung testtheoretischer Gütekriterien nicht gegeben ist. Auch liegt häufig keine wissenschaftliche Normierung der Verfahren an einer ausreichenden Zahl von Probanden oder Patienten vor. Zukünftige Entwicklungen neuer Untersuchungsinstrumente sollten diesen Kritikpunkten Rechnung tragen.

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident