Beschluss

Technische Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Fahrrad-, Pe-delec-, S-Pedelec- und Lastenradfahrenden

Vorstandsbeschluss vom 28.04.2025 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Fahrzeugtechnik unter Mitwirkung der Vorstandsausschüsse Kinder & Jugendliche und Verkehrsmedizin
29.04.2025
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Beschluss

Technische Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Fahrrad-, Pe-delec-, S-Pedelec- und Lastenradfahrenden

Vorstandsbeschluss vom 28.04.2025 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Fahrzeugtechnik unter Mitwirkung der Vorstandsausschüsse Kinder & Jugendliche und Verkehrsmedizin

Technische Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Fahrrad-, Pedelec-, S-Pedelec- und Lastenradfahrenden 

Vorstandsbeschluss vom 28.04.2025 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Fahrzeugtechnik unter Mitwirkung der Vorstandsausschüsse Kinder & Jugendliche und Verkehrsmedizin

Einleitung
Das Fahrrad erfreut sich in Deutschland anhaltender Beliebtheit. Statistisch gesehen gibt es mittlerweile genauso viele Fahrräder und E-Bikes wie Einwohner. 39 % der Deutschen zwischen 14 und 69 Jahren nutzen es regelmäßig, d. h. mehrmals pro Woche als Verkehrsmittel und/oder in der Freizeit. Dabei ist die regelmäßige Nutzung in Großstädten am höchsten. Jedoch fühlen sich nur 60 % der Fahrradfahrenden sehr oder meistens sicher.1 

Die Zahl der getöteten Fahrradfahrenden war bei gleichzeitig steigender Verkehrsleistung des Radverkehrs zuletzt leicht rückläufig. Im Jahr 2023 kamen aber immer noch 446 Radfahrende2 in Deutschland ums Leben. 

Für ältere Fahrradfahrende ist das Risiko, in einen tödlichen Unfall verwickelt zu werden, höher als für jüngere. Zwar nimmt die Pedelec-Nutzung auch bei Jüngeren zu, dennoch lag das Durchschnittsalter der auf Pedelecs Getöteten oder Verletzten mit 53 Jahren über dem der auf nichtmotorisierten Fahrrädern verunfallten Personen. Bei älteren Menschen ist die Wahrscheinlichkeit höher, sich bei einem Sturz schwer oder tödlich zu verletzen als bei jüngeren.

Um die Sicherheit des Radverkehrs zu verbessern, sind daher weitere Bemühungen erforderlich. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) e.V. schlägt dem Bundesverkehrsministerium und weiteren Interessenvertretern die folgenden fahrzeugtechnischen Maßnahmen vor. 

Neben den aufgeführten Maßnahmen sollten unbedingt aber auch weitere Aspekte, wie die Erhöhung der Helmtragequote3 in allen Altersgruppen und der Ausbau einer sicheren Radverkehrsinfrastruktur zur Verbesserung der Fahrradsicherheit berücksichtigt werden. Zusätzlich sei auch auf die bereits 2024 separat an das Bundesverkehrsministerium übermittelten Vorschläge4 zur Überarbeitung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) hingewiesen.

Empfehlungen

Allgemeine Empfehlungen

1. Das Bundesverkehrsministerium sollte sich für eine europäische Harmonisierung der Erfassung von Unfalldaten einsetzen. Dazu gehört sowohl national als auch europäisch die Etablierung der Erfassung potenziell lebensbedrohlich Verletzter5 (MAIS3+)6.

2. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Leichtigkeit des Verkehrs sollte die Erkennung von Fahrradfahrenden durch die Vernetzung der Verkehrsteilnehmenden untereinander und mit der Verkehrsinfrastruktur mittels Vehicle-to-X7-Technologie gefördert und vorangetrieben werden. Die Industrieinitiative „Coalition for Cyclist Safety“ mit mehreren Vertretern der deutschen Industrie sollte aktiv unterstützt werden, insbesondere durch Förderung der Umsetzung und Nutzung der Technologie in Deutschland und der EU.

3. Für Fahrräder und Pedelecs (inkl. Lastenräder) sollten Minimalstandards für ABS und CBS8 etabliert werden, um zukünftige gesetzliche Anforderungen an die Wirksamkeit vorzubereiten. Diese Standards sollten innerhalb der nächsten 3 Jahre vorliegen. Als Diskussionsbasis können die für ABS und CBS gültigen Anforderungen der UN-Regelung Nr. 78 herangezogen werden.

4. Für alle Verkehrsteilnehmenden (zu Fuß Gehende, Radfahrende, Motorradfahrende, Pkw, Lkw, Transporter) sollten Verkehrsdaten über die Nutzung der Verkehrsmittel nach Straßentypen erhoben werden. Die so erhobenen Daten sollten an die Europäische Kommission übermittelt werden, um die Erreichung der im „EU Road Safety Policy Framework 2021 – 2030“ enthaltenen Leistungsindikatoren (KPIs) überprüfen zu können.9

5. Um die Sicherheit von Lastenrädern, Pedelecs und S-Pedelecs mit hohen Radlasten bis zu 150 kg zu erhöhen, sollten über alle Reifenhersteller vergleichbare Angaben des Lastindex sowie einheitliche Prüfverfahren zur Ermittlung für alle entsprechenden Reifen im DIN-Ausschuss NA 045-01-05 AA (Zweiradreifen, -Felgen und -Ventile) sowie sinnvollerweise in den Gremien der ETRTO, ISO und/oder UNECE entwickelt und durch die Industrie eingeführt werden. Darüber hinaus sollten die Form und der Umfang der Angabe des Lastindex auf dem Fahrradreifen einheitlich festgelegt sein.

Pedelecs/ Fahrräder mit elektromotorischem Hilfsantrieb

6. Um die Manipulation bzw. das Tuning von Pedelecs mit dem Ziel der Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung zu erschweren, sollten bereits Angebot und Vertrieb von Tuning-Kits untersagt werden.10 Um die Erkennung von Manipulationen bei Verkehrskontrollen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, sollten in Zusammenarbeit von Polizei- und Marktaufsichtsbehörden mit der Fahrradindustrie Kriterien hergeleitet und evaluiert werden, welche Indizien für illegales Tuning sein können. Die Fahrradindustrie sollte den Polizeibehörden, basierend auf den evaluierten Kriterien, zudem entsprechende Hilfsmittel (z.B. Software) zur Verfügung stellen.

7. Um die Sicherheit von Elektrofahrrädern zu gewährleisten, sollte die Einhaltung der geltenden Anforderungen an LMT11-Batterien durch die Marktüberwachungsbehörden konsequent verfolgt werden. Es muss sichergestellt werden, dass in den Markt eingeführte Batterien den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen.

S-Pedelecs/ Fahrzeuge der Klasse L1e-B

8. S-Pedelecs müssen aufgrund ihrer erhöhten Geschwindigkeit für andere Verkehrsteilnehmende und die Polizei äußerlich klar von Fahrrädern und Pedelecs unterscheidbar sein. Zu diesem Zweck sollten S-Pedelecs mit nach vorne gerichteten Begrenzungsleuchten in einem Mindestabstand von 240 mm ausgestattet werden.12

9. In einem Modus, der eine Geschwindigkeit über 25 km/h unterstützt, sind die Begrenzungsleuchten automatisch zu aktivieren.13 Zum Zwecke der Unfallanalyse wäre es zudem sinnvoll, in einem Fahrzeugspeicher aufzuzeichnen, ob zum Zeitpunkt eines Unfalls, in einem Modus, der eine Geschwindigkeit über 25 km/h unterstützt, (deutlich) schneller als 25 km/h gefahren wurde.

Lastenräder 

10. In Bezug auf eine Nutzung von Radverkehrsanlagen mit Lastenrädern sollten das Bundesverkehrsministerium und die nachgelagerten Behörden gemeinsam mit allen Beteiligten Regelungen zu Dimensionen und Massen von Lastenrädern, bis zu denen diese die Radverkehrsanlagen noch mitbenutzen dürfen, erarbeiten. Eine europäische Harmonisierung ist anzustreben.

11. „Lastenrad“ sollte als zusätzliches Merkmal in der Verkehrsunfallaufnahme der Polizei sowie in der Verkehrsunfallstatistik des Statistischen Bundesamtes berücksichtigt werden.

12. Umfangreiche Untersuchungen14 mit elektrisch angetriebenen, dreirädrigen Lastenfahrrädern ohne Neigetechnik zeigten, dass bei diesen bereits bei einfachen Ausweichmanövern ein nicht zu unterschätzendes Kipprisiko besteht. Der DVR regt an, diese Thematik weiter zu untersuchen und Lösungen zu entwickeln. Bspw. sollte die dynamische Kippstabilität von dreirädrigen Lastenfahrrädern, vor allem bei Kurvenfahrt, erhöht werden. Dazu ist die entsprechende DIN EN-Norm 17860 anzupassen.

Mitnahme von Kindern auf dem Fahrrad

13. Als eigenständige Art der Verkehrsteilnahme in der Verkehrsunfallaufnahme sollte ein Merkmal zur Identifikation der Kinderbeförderung mit dem Fahrrad eingeführt werden.

14. Die Kinderbeförderung mit dem Lastenfahrrad sollte nur mit geeigneten Sitzen entsprechend der europäischen Lastenrad-Norm DIN EN 17860-6 zulässig sein. Das Bundesverkehrsministerium sollte die Vorgaben der DIN EN 17860-6 in der StVZO berücksichtigen sowie eine Nutzungspflicht vorhandener Sicherheitseinrichtungen in der StVO vorsehen.

15. Das mittlerweile überholte Merkblatt15 des Bundesverkehrsministeriums für Kinderfahrradsitze sollte zurückgezogen und durch einen Verweis auf die Norm DIN EN 14344 ersetzt werden.

Weiterführende Empfehlungen

16. Fahrradanhänger sollten über eine werkseitig vorgesehene Anbringungsmöglichkeit für Beleuchtungseinrichtungen verfügen. Zudem sollte die Auslieferung mit einem passenden Rücklicht gesetzlich vorgeschrieben werden.

17. Das Bundesverkehrsministerium sollte sich auf europäischer Ebene sowie bei der UNECE dafür einsetzen, Systeme, die dazu beitragen können, „Dooring“-Unfälle16 zu verhindern, in neuen Fahrzeugen zu verbauen.17 Darüber hinaus sollten aktiv eingreifende Systeme, die die Türöffnung bei drohender Kollision blockieren, im Rating von Verbraucherschutzorganisationen (z.B. Euro NCAP) besonders positiv bewertet werden

Erläuterungen

Erläuterung zu Punkt 1:

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erhöhung der Sicherheit Radfahrender stellt die Erfassung von Unfalldaten dar, um das Wirkfeld verkehrssicherheitssteigernder Maßnahmen definieren und validieren zu können. Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) stellte jedoch fest18, dass sich valide Vergleiche zur Verkehrssicherheit anhand von Unfallkenngrößen zwischen europäischen Staaten nur auf staatlicher Ebene und nur unter Betrachtung der Zahl der Getöteten vornehmen lassen. Vergleiche zu Schwer- und Leichtverletzten sind aufgrund unterschiedlicher Dichte und Güte der Unfallaufnahme, verschiedener Definitionen der Unfallfolge, fehlenden Ressourcen bei der Datenübermittlung und aus Datenschutzgründen auf allen Ebenen (Staat, Kommune, Infrastrukturelement) nicht möglich. Diesem Umstand sollte begegnet werden, um die Dunkelfelder im Fahrradunfallgeschehen kontinuierlich reduzieren und passgenaue verkehrssicherheitssteigernde Maßnahmen definieren zu können.

Erläuterung zu Punkt 2:

Laut einer GIDAS-Stichprobe waren 30 % der kreuzenden Fahrräder in Unfallsituationen verdeckt. Zur Vermeidung solcher Unfallszenarien bzw. zur Abschwächung der Unfallfolgen sieht der DVR in der schnellen Informationsübertragung in unmittelbaren Gefahrensituationen durch Vehicle-to-X-Technologie ein weiteres Potenzial. Besonders Unfälle, die zu schweren Verletzungen führen, wie z.B. Unfälle an Kreuzungen, können so verhindert oder in ihrer Folge abgeschwächt werden. In diesem Zusammenhang verweisen wir auch auf unsere Empfehlungen zur „Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Vehicle-to-X-Kommunikation“ vom 25.10.2021.

Erläuterung zu Punkt 3:

Aus Angst vor dem Abheben des Hinterrades bremsen bisher viele Radfahrende ohne den Einsatz der Vorderradbremse. Ein Antiblockiersystem (ABS), das idealerweise eine Abhebeerkennung des Hinterrades integriert sowie ein kombiniertes Bremssystem (CBS) erlauben es, sicher mit beiden Bremsen gleichzeitig zu bremsen. Dadurch wird der Bremsweg verkürzt. Durch ABS wird zudem das Blockieren des Vorderrads verhindert, wodurch Wegrutschen und Stürze vermieden werden. Dies kann Gefahrensituationen wesentlich entschärfen, ähnlich wie dies bereits bei Motorrädern der Fall ist.

Sinnvoll erscheint ein ABS auch für Fahrräder mit langem Radstand, niedrigem Schwerpunkt und/oder hohem Gewicht, wie z.B. Lastenräder, da diese je nach Beladung eine erheblich variierende Radlast aufweisen und damit eine erhöhte Blockiergefahr einhergeht.

Ein kombiniertes Bremssystem (CBS) ist eine Bremsanlage, bei der alle Räder des Fahrzeugs mittels einer einzigen Betätigungseinrichtung gebremst werden können. Die in § 65 StVZO geforderte Redundanz durch zwei unabhängige Bremssysteme bleibt bestehen. So sind z.B. zwei Bremshebel über jeweils eine separate Hydraulik mit einer Bremszange verbunden. Die Hinterradbremse (oder beide Bremsen beim Dual-CBS) gibt beim Bremsen zusätzlich aber auch Bremskraft an die Vorderradbremse. Hierdurch wird immer gewährleistet, dass beide Bremsen aktiviert werden und im Gefahrfall der Bremsweg deutlich kürzer ist, als wenn lediglich die Hinterradbremse genutzt wird. Durch die Bremskraftverteilung eines CBS blockiert dabei immer zuerst das Hinterrad, sodass ein Blockieren des Vorderrades, das zum Überschlag führen kann, vermieden wird.

Aus diesen Gründen soll der Einbau von ABS und CBS in Fahrrädern zulässig sein, um die Verkehrssicherheit und den Unfallschutz zu erhöhen. 

Erläuterung zu Punkt 4:

Ein Indikator zur Messung des Risikos des Radfahrens sowie zur Evaluierung der erzielten Verbesserung der Fahrradsicherheit erfordert die Erhebung von Daten über die zurückgelegten Strecken, die Anzahl der durchgeführten Fahrten oder die auf dem Fahrrad verbrachte Zeit. Nur Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2010 für mindestens ein Jahr Fahrdaten an die Europäische Kommission gemeldet. Diese Länder verwenden jedoch unterschiedliche Methoden zur Erhebung der Daten, so dass ein Vergleich zwischen ihnen nicht möglich ist.

Radverkehrsdaten aus mehr Ländern wären hilfreich, um zu erklären, wie sich die Zunahme des Radverkehrs auf die Entwicklung der Todesfälle und schweren Verletzungen bei Radfahrenden in der EU auswirkt. Die begrenzten Daten deuten darauf hin, dass Länder, in denen relativ viele Strecken mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, ein geringeres Sterberisiko für Radfahrerende aufweisen als Länder, in denen das Radfahren nicht so weit verbreitet ist.

Erläuterung zu Punkt 5:

Ein Lastindex (LI) ist ein numerischer Code, der der Maximallast (in kg) entspricht, die ein einzelner Reifen tragen kann. Dank des Lastindex, auch Tragfähigkeitsindex genannt, kann man die maximale Belastung eines Reifens erkennen.

Für Fahrradreifen wird ein solcher Lastindex nicht angegeben. Mit zunehmender Verbreitung von Lastenrädern und (Elektro-)Fahrrädern mit hoher Zuladung wird die Radlast immer höher und bewegt sich zum Teil im Bereich von bis zu 150 kg. Die Wahl der passenden Reifen ist für die Sicherheit eines solchen Fahrrades von hoher Bedeutung, da sich Fahrradreifen in diesem Bereich am Rande des technisch Möglichen bewegen.

Eine Auswahl des passenden Reifens kann derzeit nur auf Basis von freiwilligen Angaben des Reifenherstellers erfolgen, sofern diese überhaupt zur Verfügung gestellt werden. Für eine solche, über alle Reifenhersteller vergleichbare, Angabe des Lastindex wird ein einheitliches Prüfverfahren zur Ermittlung benötigt. Darüber hinaus müssen die Form und der Umfang der Angabe des Lastindex auf dem Fahrradreifen einheitlich festgelegt sein.

Erläuterung zu Punkt 6:

Nach § 1 (3) StVG sind Pedelecs definiert als Fahrräder mit elektromotorischem Hilfsantrieb mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 25 km/h. Um diese Geschwindigkeitsbegrenzung zu umgehen, sind verschiedenste Tuning-Sets erhältlich, die durch eine Manipulation der Systemkomponenten deutlich höhere Geschwindigkeiten mit elektromotorischer Unterstützung ermöglichen.

Genaue Zahlen liegen bislang nicht vor. Das Tuning von Pedelecs kann aber einen maßgeblich negativen Einfluss auf ren Belastungen ausgelegt sind. Andererseits kann es durch die zum Teil deutlich erhöhten Geschwindigkeiten zur Gefährdung der Fahrenden und anderer Verkehrsteilnehmender kommen. Durch den Einbau des Tuning-Kits wird das Pedelec zu einem betriebserlaubnispflichtigen Kleinkraftrad, für das aber keine Betriebserlaubnis beantragt wird oder erteilt werden kadie Verkehrssicherheit haben. So kann es einerseits zu Beschädigungen am Pedelec selbst kommen, da die Bauteile (z.B. Bremsen, Vorderradgabel) nicht auf die höhenn. Auch der Versicherungsschutz der Privathaftpflichtversicherung entfällt, so dass Ersatzansprüche verletzter Dritter beeinträchtigt werden und Schädigende - häufig ohne, dass es ihnen bewusst ist - sowohl selbst die volle Haftung tragen als auch eine Straftat begehen. Das bestehende Verbot der Verwendung solcher Tuning-Kits ist in der Praxis kaum kontrollier- und durchsetzbar. Es sollten daher bereits Angebot und Verkauf untersagt werden.

Erläuterung zu Punkt 7:

Die durch die EU vorgeschrieben Sicherheitsbestimmungen sorgen dafür, dass Akkubrände die absolute Ausnahme bleiben und bei sachgemäßer Nutzung praktisch nicht vorkommen. Schäden sind laut Gutachten in den allermeisten Fällen auf fahrlässige, unsachgemäße Behandlung oder unsachgemäße Eingriffe zurückzuführen. Aus diesen Gründen sollten umfangreichen Maßnahmen umgesetzt werden, mit denen sichergestellt werden kann, dass nur regelkonforme Batterien auf den EU-Markt gelangen können.

Erläuterung zu Punkt 8 bis 9:

S-Pedelecs gelten rechtlich gesehen als Kleinkrafträder mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h. Äußerlich sind sie, bis auf bestimmte Details, wie das Versicherungskennzeichen, für andere Verkehrsteilnehmende auf den ersten Blick jedoch kaum von Fahrrädern und Pedelecs unterscheidbar. Für andere Verkehrsteilnehmende ist aber wichtig, abschätzen zu können, dass das entgegenkommende S-Pedelec deutlich schneller unterwegs sein kann als herkömmliche Fahrräder und Pedelecs. Durch die vorgeschlagenen Begrenzungsleuchten ergibt sich ein deutlich breiteres Signalbild. Da Kraftfahrzeuge und Motorräder auch ein breiteres Signalbild haben, rechnen andere Verkehrsteilnehmende bei einem solch breiteren Signalbild mit einem schneller fahrenden Fahrzeug. Diese Kenntlichmachung erleichtert zudem der Polizei die Unterscheidung.

Durch das vorgeschlagene Signalbild wäre für andere Verkehrsteilnehmende und die Polizei ersichtlich, ob ein S-Pedelec mit bis zu 45 km/h oder mit reduzierter Geschwindigkeit bis 25 km/h fährt. Ein Modus mit reduzierter Geschwindigkeit (25 km/h) würde zudem den Schutz der S-Pedelec-Nutzenden erhöhen, die bei einer entsprechenden Änderung der StVO dann an gefährlichen Stellen die Radverkehrsanlagen mitnutzen könnten19, ohne andere Verkehrsteilnehmende stärker zu gefährden.

Erläuterung zu Punkt 10:

Die Arten und Einsatzmöglichkeiten von Lastenrädern sind äußerst vielfältig. Dabei reicht die Bandbreite vom privaten Gebrauch für die Kinderbeförderung bis hin zur Nutzung im gewerblichen Warentransport mit Lastenrädern bis zu 600 kg. Je nach Größe, Gewicht und Art der Nutzung können sich abweichende Regelungen in Bezug auf die Nutzung von Radverkehrsanlagen sowie die technischen Anforderungen ergeben. 

Derzeit wird eine europäische Lastenrad-Norm (EN 17860) erarbeitet. In der EN 17860 wird auch eine Klassifizierung der Lastenradtypen vorgenommen und deren Dimensionen und Massen näher definiert. Die Veröffentlichung der letzten Teile wird bis August 2025 erwartet. 

Erläuterung zu Punkt 11:

Eine ausreichende Differenzierung bei der Verkehrsunfallaufnahme ist erforderlich, um potenzielle Problematiken bei spezifischen Verkehrsträgern und/oder Verkehrsteilnehmenden identifizieren bzw. sichtbar machen und mit aussagekräftigen Daten belegen zu können. Diese würde auch die Arbeit der Unfallforschung erleichtern. Als Beispiel kann die Situation bei den E-Scootern dienen, deren Aufnahme in die Verkehrsunfallaufnahme für Klarheit in Hinblick auf spezifische Risiken und Gefährdungen sorgte.

Erläuterung zu Punkt 12:

In fahrdynamischen Untersuchungen des Studiengangs Automotive Systems Engineering der Hochschule Heilbronn wurde die Vermutung bestätigt, dass bei dreirädrigen Lastenfahrrädern in Fahrt ohne Neigetechnik ein erhebliches Kipprisiko bei Ausweichmanövern besteht20. Dieses Risiko mit einem hohen Verletzungsrisiko für die Fahrenden, aber auch für andere Verkehrsteilnehmende wird durch die Prüfungen in der aktuellen Norm DIN EN 17860-3 im Kapitel 11.3 "Dynamische Kippstabilität von mehrspurigen Lastenfahrrädern" nicht abgebildet. Vorgeschlagen wird die Einführung eines neuen Kapitels 11.4 "Dynamische Kippstabilität von mehrspurigen Lastenfahrräder - Ausweichtest".

Ferner ist bei dreirädrigen Lastenfahrrädern mit Neigetechnologie ein Kippen des neigbaren Vorderrades im Stand gemessen worden.

In beiden Fällen sollte weiter untersucht werden, ob man eine Kippneigung durch aktive Sicherheitskomponenten reduzieren kann und/oder durch eine geeignete Einweisung des Fahrpersonals. 

Erläuterung zu Punkt 13:

Siehe Erläuterung zu Punkt 11.

Erläuterungen zu Punkt 14 - 15:

Die Mitnahme von Kindern auf dem Fahrrad ist je nach gewählter Beförderungsart von zum Teil recht unterschiedlichen Randbedingungen gekennzeichnet. Gleichwohl gibt es für alle Beförderungsarten (Fahrrad mit Kindersitz, Lastenrad, Fahrradanhänger) noch klares Verbesserungspotenzial zur Erhöhung der Sicherheit der beförderten Kinder.

Hersteller von Lastenfahrrädern müssen der Sicherheit von Kindern in besonderem Maß Rechnung tragen. Sicher ausgestaltete Sitze, die im Fall eines Unfalls eine gute Schutzwirkung entfalten, sind geboten. Dazu zählen auch ein robustes Gurtsystem, gepolsterte Gestänge und Kanten in Bereichen, gegen die der Kopf des Kindes stoßen kann, und auch eine Art Überrollbügel, der Kinder schützt, wenn der Radfahrende selbst über den Fahrradlenker nach vorn stürzt oder der Oberkörper des Kindes droht, die Box zu verlassen. Entsprechende Anforderungen sind in der europäischen Lastenrad-Norm DIN EN 17860-6 definiert.

Im Auftrag der UDV durchgeführte Untersuchungen21 zeigten, dass bei einigen Kinderfahrradsitzen insbesondere der Kopfbereich stark gefährdet ist und seitlich nahezu kein Schutz geboten wird. Es sollte im Sinne der Sicherheit der beförderten Kinder daher darauf geachtet werden, dass die zugelassenen Kinderfahrradsitze die Kriterien der DIN EN 14344 erfüllen und neben Anforderungen an das Gurtsystem bspw. auch definierte Belastungsgrenzen in Sturzversuchen einhalten. 

Erläuterungen zu Punkt 16:

Es zeigte sich außerdem, dass flache Fahrradanhänger in manchen Situationen kaum für Autofahrende sichtbar sind. Die Anhänger sollten daher über eine robuste Möglichkeit zur Anbringung von Beleuchtungseinrichtungen verfügen. Ein passendes Rücklicht sollte werkseitig bereits mitgeliefert werden. 

Erläuterung zu Punkt 17:

Eine vertiefende Studie22 der UDV aus dem Jahr 2020 zeigt, dass parkende Autos für Radfahrende ein größeres Sicherheitsproblem darstellen als bislang bekannt. Jeder fünfte Unfall mit verletzten Radfahrenden steht im Zusammenhang mit parkenden Kraftfahrzeugen. Das Hauptproblem stellen dabei mit großem Abstand Dooring-Unfälle dar. Nicht immer verlaufen diese Unfälle harmlos. Etwa 6 % aller Radverkehrsunfälle mit Getöteten sind auf Kollisionen mit geöffneten Fahrzeugtüren zurückzuführen.

Meist besteht die Unfallursache im ausbleibenden Schulterblick beim Aussteigen aus einem Kraftfahrzeug. Relevant für Unfälle mit Radfahrenden sind dabei vor allem geöffnete Türen auf der Fahrerseite. Die bereits in vielen neueren Fahrzeugen vorhandenen Sensoren können genutzt werden, um sich nähernde Radfahrende zu erkennen und gegebenenfalls einen Warnton an den Autoinsassen zu senden oder die Tür automatisch zu blockieren.
 

gez.

Manfred Wirsch
Präsident                    

 


[1] Befragung für den „Fahrrad-Monitor 2023“ des SINUS-Instituts im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums
[2] Destatis: Getötete bei Verkehrsunfällen nach Art der Verkehrsbeteiligung,  05.07.2024
[3] Ein korrekter getragener Fahrradhelm senkt die Wahrscheinlichkeit schwerer Kopfverletzungen bei Unfällen deutlich. Siehe dazu bspw. die Studien von Prof. Dr. Dietmar Otte (MHH Hannover). 
[4] Stellungnahme des DVR vom 30.01.2024 zur Verbändeanhörung zum Referentenentwurf „Neufassung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und zur Änderung weiterer Vorschriften“
[5] siehe auch den DVR-Beschluss „Präzisierung der Definition der neuen Kategorie ‚lebensgefährlich verletzt‘“ vom 19.04.2012
[6] MAIS (Maximal Abbreviated Injury Scale) entspricht der schwersten Einzelverletzung einer verletzten Person. Die Verletzungsgrade reichen von MAIS 0 (unverletzt) bis MAIS 6 (tödlich verletzt).
[7] Der kooperative, verkehrsträgerübergreifende Informationsaustausch wird auch als C-ITS (= Cooperative Intelligent Transport System) bezeichnet. Es bezeichnet Technologien zur Verbindung der Verkehrsteilnehmenden und der Infrastruktur, um Informationen und Warnungen über Verkehrs- und Gefahrensituationen austauschen zu können.
[8] ABS = Antiblockiersystem, CBS = Kombiniertes Bremssystem (Erläuterungen s.u.)
[9] siehe auch den ETSC PIN Flash 38 „How safe is walking and cycling in Europe?“ vom 30.01.2020
[10] siehe dazu auch die DVR-Stellungnahme „Verbot des Vertriebs von Tuning-Sets für Pedelecs zur Manipulation oder Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung“ vom 28.06.2024
[11] LMT (= Light Means of Transport) sind leichte Verkehrsmittel, die mittels Elektromotor oder einer Kombination aus Elektromotor und menschlicher Muskelkraft angetrieben werden 
[12] siehe auch Stellungnahme des DVR zur Verbändeanhörung zum Referentenentwurf „Neufassung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und zur Änderung weiterer Vorschriften“ vom 30.01.2024
[13] siehe auch DVR-Beschluss zur “Freigabe von Verkehrsflächen für S-Pedelecs“ vom 17.10.2024
[14] Daberkow, A.; Barske, V.; Aydogmus, M.: Innovative test and simulation methods for very light electric vehicles. VDI-Berichte 2428 zur 21. VDI-Fachtagung Reifen – Fahrwerk - Fahrbahn , S. 133-146. Düsseldorf, 2024
[15] Richtlinien für die Beschaffenheit und Anbringung von Kindersitzen und Fußstützen an Fahrrädern und Fahrrädern mit Hilfsmotor mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h (Mofa 25) vom 3. 11. 1980 (Verkehrsblatt 1980, 788)
[16] Dooring-Unfälle: Kollisionen von Radfahrenden mit einer sich öffnenden Fahrzeugtüre eines parkenden Pkw
[17] siehe u.a.: EuroNCAP Testprotokoll AEB/LSS VRU Systems, Version 4.5.1 | UDV-Forschungsbericht Nr. 66: Unfallrisiko Parken für schwächere Verkehrsteilnehmer, 01/2020
[18] Unfallforschung kompakt Nr. 104: Vergleich der Radverkehrssicherheit in Deutschland, Niederlande und Dänemark, 11/2020
[19] siehe dazu auch den DVR-Beschluss „Freigabe von Verkehrsflächen für S-Pedelecs“ vom 17.10.2024
[20] Daberkow, A.; Barske, V.; Aydogmus, M.: Innovative test and simulation methods for very light electric vehicles. In: VDI-Berichte 2428 zur 21. VDI-Fachtagung Reifen – Fahrwerk - Fahrbahn, S. 133-146. Düsseldorf, 2024
[21] UDV-Forschungsbericht Nr. 95: Verkehrssicherheit von Kindertransport auf dem Fahrrad, 2024
[22] UDV-Forschungsbericht Nr. 66: Unfallrisiko Parken für schwächere Verkehrsteilnehmer, 01/2020