Maßnahmen zur Erhöhung der Anlegequote von Sicherheitsgurten

Beschluss vom 19.04.2012 auf Basis der Empfehlung des Vorstandsausschusses Fahrzeugtechnik vom 2.11.2011

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2012

Erläuterung

Der Sicherheitsgurt gilt als „Lebensretter Nummer 1“. Seine positiven Wirkungen können jedoch nur greifen, wenn er korrekt angelegt ist.

Von der BASt wird für Deutschland für das Jahr 2009 eine Angurtquote auf den Frontsitzen von 98% angegeben. Nach einer Umfrage des DVR vom August 2011 legen laut Selbstauskunft knapp 95% der Befragten „grundsätzlich“ den Gurt an. Informationen anderer Organisationen – selbst wenn diese nicht immer repräsentativ sind – kommen zu dem Schluss, dass die Angurtquote bei ca. 90% liegt.

Dennoch liegen dem DVR Erkenntnisse der Bundesländer vor, nach denen etwa 20% der bei einem Verkehrsunfall im Fahrzeug Getöteten nicht angegurtet waren. Ähnlich hohe Raten nicht angegurteter getöteter Fahrzeuginsassen werden aus anderen hoch entwickelten Ländern berichtet.

Damit ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

Empfehlung

Der DVR begrüßt jede gezielte Kampagne zur Hebung der Angurtquote.

An erster Stelle der Zielgruppen stehen Kinder, Jugendliche und junge Fahrer. Eine weitere wichtige Gruppe bilden Eltern und Großeltern, aber auch Lkw-Fahrer.

Der DVR empfiehlt die Durchführung von Kampagnen für besonders relevante Zielgruppen, z.B. für junge Fahrer, Lkw-Fahrer, Taxifahrer oder Eltern und Großeltern.

Nach einer schwedischen Studie1 würden sich 99% aller Fahrer angurten, wäre bei ihnen ein Seat Belt Reminder (Angurt-Erinnerer) eingebaut.

Seit 2009 ist für neue Fahrzeugtypen ein Angurt-Erinnerer auf dem Fahrersitz vorgeschrieben, ab 2014 für alle Neufahrzeuge. Es ist zu beobachten, dass Angurt-Erinnerer bei Neufahrzeugen verstärkt auch auf den anderen Sitzplätzen, als dem des Fahrers, eingebaut werden. Da Angurt-Erinnerer im Rahmen von EuroNCAP zu höheren Bewertungen führen, scheint EuroNCAP für diese positive Entwicklung förderlich zu sein.

Der DVR empfiehlt, dass seitens der Automobilindustrie Angurt-Erinnerer verstärkt auch auf anderen als auf dem Fahrersitz eingebaut werden.

Das Regelungswerk der Economic Commission for Europe (ECE) schreibt einen benutzerfreundlich konstruierten und eingebauten Sicherheitsgurt für jeden Sitz vor. Dennoch ist das je nach Fahrzeug, Sitzposition oder physiologischen Eigenschaften der Insassen nicht immer optimal gegeben. So können kleine oder mobilitätsbehinderte Personen nicht immer in komfortabler Weise den Gurt oder den Verschluss erreichen. Dies kann zum Nichtanlegen führen.

Der DVR empfiehlt, dass bei der jeweiligen konstruktiven Ausgestaltung der Gurt-/Sitzkombination verstärkt auf die Benutzerfreundlichkeit geachtet wird. Wenn nötig muss das zugrundeliegende Regelwerk der ECE daraufhin ausgerichtet bzw. präzisiert werden.

Aufgrund des demografischen Wandels wird das Durchschnittsalter der Fahrzeuginsassen ansteigen. Da die Verletzbarkeit des menschlichen Körpers mit dem Alter zunimmt, bedarf dies einer Berücksichtigung in den Prüfkriterien der ECE-Regelungen. Zudem sollen auch andere Zielgruppen wie z.B. kleine und leichte Insassen besser berücksichtigt werden.

Der DVR empfiehlt zu untersuchen, ob die in den ECE-Regelungen festgelegten Prüfkriterien aufgrund der stärkeren Verletzbarkeit bestimmter Zielgruppen, insbesondere älterer Fahrzeuginsassen, einer Anpassung oder Erweiterung bedürfen.

Die technologische Entwicklung von Sicherheitsgurten ist in den letzten Jahren vorangeschritten. Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer werden verstärkt verwendet. Solche Technologien erhöhen den Verletzungsschutz.

Der DVR empfiehlt, dass neuartige und intelligente Technologien zur Verbesserung des Sicherheitsgurtes weiterentwickelt und verstärkt auch auf den Fondsitzen eingebaut werden.

Es liegen keine aktuellen Erkenntnisse vor, warum sich Personen nicht angurten, wie die Personen nach demografischen oder anderen Merkmalen zu charakterisieren sind oder welche Anreize ein besseres Angurtverhalten fördern könnten.

Der DVR empfiehlt, weitere Untersuchungen über das Angurtverhalten durchzuführen, um davon effektive Maßnahmen zur Erhöhung der Angurtquote abzuleiten.

Diese Untersuchungen sollen die Basis für Maßnahmen zur Förderung des Angurtverhaltens sein. Die Maßnahmen können zum einen im Bereich der technischen Ausgestaltung der Gurte und zum anderen im Bereich der zielgruppenorientierten Ansprache der Fahrzeuginsassen liegen.

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident


1 Kullgren, A., Krafft, M., Lie, A., Tingvall, C. 2006: The use of seat belts in cars with smart seat belt reminders – Results of an observational study. In: Traffic Injury Prevention 7/2006, pp.: 125-129.