Beschluss

Fünf Punkte Plan zur Vision Zero für junge Fahranfängerinnen und Fahr-anfänger

Vorstandsbeschluss vom 15.10.2025 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Junge Kraftfahrer
15.10.2025
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Beschluss

Fünf Punkte Plan zur Vision Zero für junge Fahranfängerinnen und Fahr-anfänger

Vorstandsbeschluss vom 15.10.2025 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Junge Kraftfahrer

Vorstandsbeschluss vom 15.10.2025 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Junge Kraftfahrer


Einführung

Mit der Einführung des Alkoholverbots innerhalb der Probezeit bzw. für junge Fahrerinnen und Fahrer bis zum 21. Lebensjahr zum 1. August 2007 und der bundesweit einheitlichen Einführung des Fahrerlaubniszugangs „Begleitetes Fahren ab 17“ im Jahr 2011 wurden bereits entscheidende Maßnahmen zur Senkung des Unfallrisikos von jungen Fahrerinnen und Fahrern geschaffen. So verunglückten noch 1.279 junge Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren je 100.000 Einwohner dieser Altersgruppe im Jahr 2007, während im Jahr 2020 802 je 100.000 dieser Altersgruppe1 verunglückten. Im Jahr 2023 wurden 272 junge Erwachsene in diesem Alter getötet2. Das waren 9,6 % aller Getöteten, obwohl der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung nur 7,3 % beträgt. Insofern ist das Risiko für junge Fahranfängerinnen und Fahranfänger im Straßenverkehr bei einem Verkehrsunfall (schwer) verletzt oder getötet zu werden immer noch überdurchschnittlich hoch. Dies ist überwiegend in der Kombination von jugendtypischen Fahrsituationen, der mangelnden Fahrpraxis und dem in der Jugendlichkeit begründeten Übermut geschuldet. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat befasst sich daher intensiv mit spezifischen Ursachen innerhalb der Zielgruppe der jungen Kraftfahrenden. Der DVR-Vorstandsausschuss „Junge Kraftfahrer“ setzt in der Folge einen Schwerpunkt in der Analyse auf die Fahrerlaubnisklasse B. Neben operativen Fragestellungen zur Fahrausbildung und Prüfung im Kontext der sich verändernden Anforderungen an die Mobilität von morgen, gilt es eine Strategie zu entwickeln, die Elemente zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auch außerhalb der Fahrschule benennt und nachhaltig in der Zielgruppe verankert, um die Kompetenz zum regelkonformen und sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs frühzeitig und angemessen zu stabilisieren. Die Diskussion zur Bezahlbarkeit des Führerscheinerwerbs darf nicht auf Kosten der Sicherheit geführt werden.


Empfehlungen

  • Der DVR empfiehlt mit der Fahrausbildung möglichst früh beginnen zu können, um eine lange Begleitphase unter geschützten Bedingungen (BF17) zu ermöglichen. Studien zeigen eindeutig, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen einer (aktiven) BF17 Teilnahme und der Reduzierung des individuellen Unfallrisikos gibt. Da die Teilnahmezahlen am BF17 rückläufig sind und nur ein geringer Teil der BF17 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die maximal mögliche Begleitzeit von 12 Monaten aus-nutzt, gilt es Maßnahmen zu etablieren, die eine BF 17 Teilnahmebereitschaft erhöhen (bspw. die Absenkung des Mindestalters auf 16 Jahre für die Antragstellung, oder eine Bonuszahlung bei erfolgreichem Abschluss einer mindestens sechs Monate andauernden Begleitphase i.S. eines Zuschusses zu den Ausbildungskosten).
     
  • Der DVR empfiehlt, die Fahrausbildung und Prüfung konsequent auf die verkehrssicherheitsrelevanten Anforderungen für das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im fließenden Verkehr auszurichten. Im Rahmen der Fahrausbildung sind auch neue Lernmethoden, wie im DVR-Beschluss von 2024 beschrieben (bspw. digitaler Theorieunterricht & Einsatz von Simulatoren) zuzulassen. Darüber hinaus ist der Einsatz eines Simulators zum Nachweis der Schaltkompetenz zu ermöglichen. Dies unterstützt eine abwechslungsreiche, binnendifferenzierte Unterrichtsgestaltung mit klaren Schwerpunkten und verringert die Wahrscheinlichkeit einer Überforderung der Fahrschülerinnen und Fahrschüler während des Ausbildungszeitraums. Hierfür ist ein Referenzcurriculum mit Lernstandserfassung und -kontrollen auf Basis bestehender Leitfäden einzuführen (vgl. DVR-Beschluss 2013).
     
  • Der DVR empfiehlt, nach dem erfolgreichen Abschluss der Fahrausbildung und Fahr-erlaubnisprüfung weitere Angebote zur Stärkung der Verkehrssicherheit innerhalb einer erweiterten dreijährigen Probezeit (Bast Bericht M293 – „Weiterführende Maß-nahmen nach Fahrerlaubniserwerb“) zu etablieren. Aufgrund der hohen Auslastung der Fahrschulen sind hierbei auch die im Bericht genannten Maßnahmen zu fokussieren, die davon unabhängig besucht werden können und nachweislich das Unfallrisiko für einen definierten Zeitraum senken. Die im Bericht „Fahranfänger – Weiterführende Maßnahmen nach Fahrerlaubniserwerb“ der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen (BASt-Bericht M293) ausgestalteten Optionen sind zeitnah umzusetzen und einzuführen.
     
  • Der DVR empfiehlt zu prüfen, ob es eine Pflicht für Fahranfängerinnen und Fahranfänger während der Probezeit geben könnte, nach bestandener Fahrprüfung eine Kennzeichnung am genutzten Fahrzeug anzubringen (z.B. ein Schild im Heck des Fahrzeugs), um andere Verkehrsteilnehmende darauf hinzuweisen, dass sie noch Fahranfängerinnen und Fahranfänger sind. Zu prüfen sind hierbei die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sowie der erwartete Sicherheitsgewinn (vgl. DVR-Beschluss 2010). Alternativ wäre zu prüfen, ob eine freiwillige Kennzeichnung genutzt werden kann. Diese Kennzeichnung soll andere Verkehrsteilnehmende darauf aufmerksam machen, dass es sich um eine Fahranfängerin bzw. einen Fahranfänger handelt und eine besondere Vorsicht/Rücksichtnahme erwartet wird. Im Falle eines Unfalls müssten zudem alle Beteiligten nachweisen, warum dieser Unfall unvermeidbar war. So könnte verhindert werden, dass durch ein zu dichtes Auffahren anderer Verkehrsteilnehmende „Druck“ z.B. bei der Einhaltung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Fahranfängerinnen und Fahranfänger ausgeübt wird.
     
  • Der DVR empfiehlt, die genannten Punkte nicht isoliert einzuführen, sondern als Impuls für eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung zur sicheren Teilnahme am Straßenverkehr zu nutzen und die dafür notwendigen Ressourcen zu bündeln. Neben einer Integration der Sicherheitsstrategie Vision Zero in die Fahrschüler-Ausbildungsordnung ist eine dauerhafte Expertenkommission aus Theorie und Praxis auf Bundesebene einzurichten, die eine Evaluation der Maßnahmen entwickelt und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen prüft und bei Bedarf dafür sorgt, dass diese in der Umsetzung angepasst werden.


Erläuterung

Anreize für den Fahrausbildungszugang BF17
Mit DVR-Beschluss vom 14. Mai 2018 spricht sich der DVR für die Durchführung eines Modellversuches „Begleitetes Fahren ab 16“ aus, mit dem „Begleitetes Fahren“ bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahres ermöglicht werden soll. Dies ist aufgrund der Regelungen der 3. EU-Führerscheinrichtlinie jedoch nicht möglich. Die aktuell von Seiten der EU-Kommission im Jahr 2023 bekannt gewordenen Vorschläge für eine (neue) 4. EU-Führerscheinrichtlinie lassen auch weiterhin keine Absenkung des Mindestalters auf 16 Jahre für die Fahrerlaubnisklasse B zu. Die Evaluation des Begleiteten Fahrens zeigte jedoch, dass je mehr gefahren wird (Lernzeitverlängerung), auch die Sicherheitswirkung des BF17 steigt; dabei gehen schwere Verkehrsauffälligkeiten mit zunehmender Fahrpraxis stärker zurück als Bagatellunfälle. 

Um den Sicherheitsgewinn weiter auszubauen, soll in Deutschland die Lernzeit durch einen früheren Ausbildungsbeginn verlängert werden. Schwedische Evaluationen3 zu einer Lernzeitverlängerung deuten darauf hin, dass damit eine Unfallreduzierung bis zu 40 % erwartet werden kann. Diese Erkenntnisse waren für die bei der BASt angesiedelte Projektgruppe der Beleg dafür, dass Begleitetes Fahren ab 17 eingeführt werden kann, ohne Abstriche bei der professionellen Fahrausbildung in Deutschland vornehmen zu müssen. Durch die Schaffung der Möglichkeit bereits mit dem 16. Lebensjahr den Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis Klasse B im Rahmen von BF17 stellen zu können, könnten die jungen Menschen ihre Fahrausbildung zeitlich, angepasst an die Lebenssituation, planen und mit der Fahrausbildung beginnen. Mit Beschluss vom 22.04.2024 empfiehlt der DVR in der Sache

  • den § 21 Absatz 4 FeV durch folgenden zweiten Satz zu ergänzen: „Die Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B und BE im Rahmen des „Begleiteten Fahrens ab 17 Jahre“ nach § 48a FeV kann frühestens zwölf Monate vor Erreichen des nach § 10 FeV vorgeschriebenen Mindestalters bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde beantragt werden.“
  • den § 16 Absatz 3 zweiter Satz wie folgt zu ändern: „Sie darf frühestens drei Monate, im Falle des „Begleiteten Fahrens ab 17“ sechs Monate vor Erreichen des Mindestalters abgenommen werden.“

In diesem Zusammenhang sind auch die Empfehlungen des BASt-Berichts M293 „Weiterführende Maßnahmen nach Fahrerlaubniserwerb“ hinsichtlich der Anreize für eine Teilnahme an BF17 zu berücksichtigen.


Fahrausbildung und Prüfung konsequent auf die verkehrssicherheitsrelevanten Anforderungen für das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im fließenden Verkehr ausrichten
Mit den DVR-Beschlüssen vom 17.10.2024 und 27.04.2023 setzt sich der DVR dafür ein, dass im Rahmen der Fahrausbildung neue Lehrmethoden, wie Simulationen, einen Mehrwert erbringen können. Hinsichtlich einer Konzentration auf die Anforderungen für das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im fließenden Verkehr im Rahmen der praktischen Fahrausbildung ist zu überlegen, ob beispielsweise die Anzahl zu absolvierender Grundfahraufgaben durch geeignete Alternativübungen reduziert werden könnte. Gleichzeitig setzt sich der DVR mit seinem Beschluss vom 30. April 2013 für eine Effizienzsteigerung der Fahrschulausbildung durch zeitnahe Erarbeitung und verbindliche Einführung eines Referenzcurriculums mit Lernstandserfassung und –kontrollen ein. Diese Überlegungen könnten zu einer noch stärker sicherheitsorientieren Ausbildung beitragen und den Kostendruck für den Erwerb der Fahrerlaubnis verringern. Bei einem anhaltend hohen Kostendruck besteht die Gefahr, dass Fahrschülerinnen und Fahrschüler gezwungen sind, mit einer möglichst geringen Stundenanzahl die Fahrerlaubnisprüfung anzutreten, was zu einer Überforderung und höheren Durchfallquote führen kann.

Angebote in einer erweiterten Probezeit
Mit Beschluss vom 27. Oktober 2009 setzt sich der DVR dafür ein, dass für Deutschland ein umfassendes Konzept zur Ausbildung und Betreuung von Fahranfängern erarbeitet und implementiert werden soll. Hierfür wurde eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe bei der BASt eingerichtet, die ihren Abschlussbericht „Fahranfänger – Weiterführende Maßnahmen nach Fahrerlaubniserwerb (BASt M293)“ 2020 veröffentlicht hat. Eine Umsetzung der in diesem Optionsmodell vorgeschlagenen Maßnahmen steht noch aus und soll aus Sicht des DVR zeitnah vorgenommen werden.

Fahranfängerkennzeichen
Mit Beschluss vom 26.10.2010 setzt sich der DVR für einen Modellversuch zur Kennzeich-nung von Fahrzeugen, die von Inhabenden einer Fahrerlaubnis auf Probe gefahren werden, ein. Mit einer derartigen Kennzeichnung verbunden sind folgende Erwartungen:

  • Eine obligatorische Kennzeichnung signalisiert anderen Verkehrsteilnehmenden wirksam, dass mit einem erhöhten Risiko aufgrund mangelnder Fahrerfahrung zu rechnen ist.
  • Eine obligatorische Kennzeichnung könnte zu mehr Rücksichtnahme durch andere Verkehrsteilnehmer führen (z.B. dichtes Auffahren unterlassen).
  • Eine obligatorische Kennzeichnung bewirkt eine positive Verhaltensbereitschaft bei Fahranfängerinnen und Fahranfängern.
  • Eine obligatorische Kennzeichnung ist ein wirksames Symbol für die (Noch-)Nichtanerkennung der von den potenziellen Risikofahrern gewünschten sozialen Akzeptanz durch die Gesellschaft und nimmt damit dieser Gruppe die Möglichkeit, mit dem Kraftfahrzeug durch auffälliges Fahren den gewünschten Status nach außen hin zu demonstrieren.
     


gez.
Manfred Wirsch
Präsident


[1] Destatis „Unfälle von 18- bis 24- Jährigen im Straßenverkehr 2020“, 29.10.2021
[2] www.bmv.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/Verkehrssicherheit/jugendlichkeitsrisiko-spagat-zwi-schen-freiheit-und-sicherheit.html
[3] Vgl. „Begleitetes Fahren ab 17 – Vorschlag zu einem fahrpraxisbezogenen Maßnahmenansatz zur Verringerung des Unfallrisikos junger Fahranfängerinnen und Fahranfänger in Deutschland“ – Projektgruppe Begleitetes Fahren – BASt Heft M154, Dezember 2003 – Seite 12