Beschluss

Fahrbahnmarkierungen zur Verbesserung von Motorradstrecken

Vorstandsbeschluss vom 15.10.2025 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Verkehrsinfrastruktur
15.10.2025
0

Hinzugefügt zu deinem Warenkorb

Beschluss

Fahrbahnmarkierungen zur Verbesserung von Motorradstrecken

Vorstandsbeschluss vom 15.10.2025 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Verkehrsinfrastruktur

Vorstandsbeschluss vom 15.10.2025 auf Basis der Empfehlungen des Vorstandsausschusses Verkehrsinfrastruktur


Einführung

Das Durchfahren einer Kurve mit dem Motorrad erfordert die richtige Abstimmung von Fahrlinie, Geschwindigkeit und Schräglage. Vielen Motorradfahrenden fällt es schwer, eine schlecht gewählte Fahrlinie in der Kurve zu korrigieren. In Linkskurven kann eine schlecht gewählte Fahrlinie zu zwei speziellen Unfallszenarien führen:

  • Das Motorrad und der Oberkörper der Motorradfahrenden ragt wegen der Schräglage in den Gegenverkehrsfahrstreifen, wenn sie sich zu weit zur Fahrbahnmitte orientieren. Es kann zur Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kommen.
  • Motorradfahrende schneiden die Kurve vor dem Scheitelpunkt und werden am Kurvenausgang über den rechten Fahrbahnrand hinausgetragen.

In Österreich, Slowenien und Luxemburg wurden in den vergangenen Jahren positive Erfahrungen mit speziellen Fahrbahnmarkierungen für Motorradstrecken gemacht. In den markierten Kurven gingen sowohl die Unfallzahlen als auch der Anteil der Motorradfahrenden, die dicht an der Mittellinie fuhren, signifikant zurück.

Auch in Nordrhein-Westfalen wurde im Zeitraum 2023 bis 2024 eine Kurvenmarkierung für Zweiradfahrende Z343 in zwei unfallträchtigen Kurven erprobt und durch die RWTH Aachen untersucht. Wie im Ausland wählten mehr Motorradfahrende eine Fahrlinie mit größerem Abstand zur Mittellinie der Fahrbahn. In der Tendenz ging die durchschnittliche Geschwindigkeit in den markierten Kurven zurück und das Unfallgeschehen veränderte sich positiv.

Der DVR bewertet die vorliegenden Auswertungen aus dem In- und Ausland als ausreichend, um den Fahrbahnmarkierungen für Motorradstrecken eine grundsätzlich positive Wirkung auf die Verkehrssicherheit zu attestieren.


Empfehlungen / Forderungen

Vor diesem Hintergrund empfiehlt / fordert der DVR:

  1. Der DVR fordert das BMV auf, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um die Kurvenmarkierung für Zweiradfahrende Z343 auf weiteren Motorradstrecken in ganz Deutschland anwenden zu können. Hierzu sind wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Einsatzgrenzen, dem Markierungsmuster, der Größe und der Lage der Markierung innerhalb der Kurve zu berücksichtigen.
  2. Der DVR empfiehlt den Straßenverkehrsbehörden, den Einsatz der Kurvenmarkierung für Zweiradfahrende Z343 auf unfallträchtigen Motorradstrecken zu prüfen.
  3. Der DVR empfiehlt dem BMV, die Wirkung der Kurvenmarkierung für Zweiradfahrende Z343 wissenschaftlich evaluieren zu lassen.


Erläuterungen

Grundsätzlich sind Motorradunfälle – wie alle Verkehrsunfälle – seltene Ereignisse. Sie treten nahezu überall im Straßennetz auf. Ein unmittelbarer (kausaler) Zusammenhang mit der Verkehrsinfrastruktur ist oftmals nicht nachweisbar. Entsprechend schwierig ist es z.B. für Unfallkommissionen, örtliche Maßnahmen gegen Motorradunfälle vorzuschlagen. Eine Ausnahme stellen oftmals sogenannte Motorradstrecken dar. Typischerweise handelt es sich um kurvenreiche Landstraßen im Mittelgebirge oder den Alpen, die von vielen Motorradfahrenden im Freizeitverkehr genutzt werden. Auf solchen Strecken wird das Unfallgeschehen von Motorradunfällen, zumeist Abkommen von der Fahrbahn oder Unfälle im Längsverkehr, dominiert.

Unfälle auf typischen Motorradstrecken machen nur einen kleinen Teil des gesamten Unfallgeschehens aus. Durch die räumliche Konzentration bietet sich aber die Möglichkeit, spezifische Unfallursachen gezielt zu adressieren.

Das Durchfahren einer Kurve mit dem Motorrad ist komplexer als mit dem Auto. Es erfordert die richtige Abstimmung von Fahrlinie, Geschwindigkeit und Schräglage. Vielen Motorradfahrenden fällt es schwer, eine schlecht gewählte Fahrlinie nachträglich zu korrigieren. Darüber hinaus kann geringe Erfahrung oder Fahrpraxis sowie Schräglagenangst verhindern, dass die beabsichtigte Fahrlinie bei der gewählten Geschwindigkeit erreicht oder gehalten wird. Unterschiedliche Ursachen können die Fahrlinie negativ beeinflussen:

  • unzureichend einsehbarer Kurvenverlauf (bspw. Berghang, Böschung, Wald),
  • unerwartet geringer Radius in einem längeren Streckenverlauf,
  • unstetiger Kurvenradius (sog. Hundekurve),
  • besonders große Richtungsänderung (Kehre),
  • negative Querneigung (zur Kurvenaußenseite),
  • schlechter Fahrbahnzustand (bspw. Flickstellen, wechselnder Fahrbahnbelag).


Verschiedene bekannte Maßnahmen zielen darauf ab, den Kurvenverlauf zu verdeutlichen, damit Motorradfahrende eine sichere Fahrlinie und Geschwindigkeit wählen:

  • Fahrbahnmarkierungen Z340 oder Z295,
  • verdichtet aufgestellte Leitpfosten Z620, Kurvenleittafeln Z625, retroreflektierende Elemente an Schutzplanken.

Andere Maßnahmen sollen die Fahrgeschwindigkeit beeinflussen, um Sicherheitsreserven für die ggf. erforderliche Korrektur der Fahrlinie zu schaffen:

  • Gefahrenzeichen Z103 (Kurve) bzw. Z105 (Doppelkurve), auch in Verbindung mit
  • Vorschriftzeichen Z274 (zulässige Höchstgeschwindigkeit),
  • Rüttelstreifen vor der Kurve.

In Linkskurven kann eine schlecht gewählte Fahrlinie zu zwei speziellen Unfallszenarien führen:

  • Die Fahrlinie liegt unmittelbar neben der Leitlinie oder Fahrstreifenbegrenzung in der Fahrbahnmitte. Das Motorrad und der Oberkörper des Motorradfahrenden ragt wegen der Schräglage in den Gegenverkehrsfahrstreifen. Es kann zur Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kommen oder der Motorradfahrende verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug bei dem Versuch, die Kollision zu vermeiden.
  • Motorradfahrende fahren die Kurve von außen (rechts) an und ziehen anschließend (innerhalb ihres Fahrstreifens) zur Fahrbahnmitte (links). Durch dieses ‚Kurvenschneiden‘ weist die Fahrlinie einen größeren Radius auf als die Kurve. Wenn die Motorradfahrenden die Leitlinie oder Fahrstreifenbegrenzung in der Fahrbahnmitte schon vor dem Scheitelpunkt der Kurve erreichen, werden sie bei unverminderter Geschwindigkeit und Schräglage anschließend an und über den rechten Fahrbahn-rand hinausgetragen.

Im europäischen Ausland werden seit ca. 2016 Fahrbahnmarkierungen erprobt, um Motorradfahrende bei der Wahl der Fahrlinie in Linkskurven zu unterstützen. Es handelt sich dabei um eine Art Sperrfläche neben der Leitlinie oder Fahrstreifenbegrenzung in Fahrbahnmitte. Die Markierung richtet sich nur an Motorradfahrende und soll ausreichend Abstand zum Gegenverkehr gewährleisten und das Kurvenschneiden verhindern. Die Markierung hat keine rechtlich bindende Wirkung und darf von allen Verkehrsteilnehmenden überfahren werden. Die Markierung wird deshalb nicht als geschlossene Sperrfläche entsprechend Zeichen Z298 ausgeführt. Erprobt wurden bislang verschiedene, offene Muster aus Linien, Balken, Kreisen, Halbkreisen oder Ellipsen. Die Markierung wurde bislang nur auf unfallträchtigen Motorradstrecken eingesetzt. Am Beginn der markierten Strecken wird die Bedeutung der Markierung und die gewünschte Fahrlinie auf einer Hinweistafel erläutert.

In Österreich1, Slowenien und Luxemburg2 wurden in den vergangenen Jahren positive Erfahrungen mit diesen Fahrbahnmarkierungen für Motorradstrecken gemacht. In den markierten Kurven gingen die Unfallzahlen signifikant zurück. Der Anteil der Motorradfahrenden, die dicht an der Mittellinie fuhren, ging signifikant zurück. Die Markierungen sind preiswert gegenüber baulichen Maßnahmen. Die Markierungen haben sich als langlebig erwiesen.

Motorradfahrende befürchten, dass sie beim Überfahren von Fahrbahnmarkierungen ins Rutschen kommen. Die verantwortlichen Straßenbaubehörden haben deshalb jeweils großen Wert daraufgelegt, besonders griffige Markierungsmittel ohne retroreflektierende Glasperlen zu verwenden. In Messkampagnen wurde jeweils überprüft, ob die Griffigkeit der Markierung dauerhaft höher ist als die Griffigkeit der umgebenden Fahrbahn.

In Nordrhein-Westfalen wurde eine vergleichbare Markierung im Zeitraum 2023 bis 2024 in zwei unfallträchtigen Kurven erprobt. Die Markierung in Form von Ellipsen unterschiedlicher Größe (Schmalstrich) wurde im Bundesverkehrsblatt3 als Zeichen Z343 ausschließlich zur Verwendung auf der Erprobungsstrecke Landesstraße L218 (Panoramastraße) eingeführt. Das vorgesehene Markierungsbild unterscheidet sich im Detail von den Markierungen in Österreich bzw. Luxemburg. Wie im Ausland wurden die Markierungen für Motorradfahrende auf Hinweistafeln angekündigt und erläutert. Zudem wurde großer Wert auf die Griffigkeit der Fahrbahnmarkierung gelegt.

Die Erprobung wurde durch die RWTH Aachen wissenschaftlich begleitet4. Wie im Ausland wählten mehr Motorradfahrende eine Fahrlinie mit größerem Abstand zur Mittellinie der Fahrbahn. Die durchschnittliche Geschwindigkeit in den markierten Kurven ging zurück. Das Unfallgeschehen veränderte sich positiv; allerdings war der Vergleichszeitraum sehr kurz. Aufgrund der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleituntersuchung wurden Empfehlungen zur Ausgestaltung der Fahrbahnmarkierung Z343 ausgesprochen.


gez.
Manfred Wirsch
Präsident


[1] Kuratorium für Verkehrssicherheit (Hrsg.): Sondermarkierungen Motorradverkehr – Evaluierung, Wien, 2021
[2] Mangen, Paul: Sicherheitsmarkierungen auf kurvigen Strecken für Motorradfahrer, in: SVT 07/2020
[3] Bundesverkehrsblatt Heft 22/2022 Nr. 185, S. 803 – 805, StV 12/7332.2/42-01/3680989
[4] Kemper, Dirk; Pettirsch, Arnd; Rösler, Christoph; Weinberger, Maximilian; Bodes Sascha; Beau-temps, Robert: Begleituntersuchung „Sicherheitsmarkierungen auf kurven Strecken für Motorradfahrer“ am Beispiel der L218; Aachen 2025
Pettirsch, Arnd; Kemper, Dirk: Influencing the trajectory of motorcyclists through strategic curve markings; Aachen 2024