Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Durchführung von Abschnittskontrollen - Landtag Schleswig-Holstein

des Deutschen Verkehrssicherheitsrates

Stellungnahme

7.7.2021

Vorsitzende des Innen- und Rechtsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtags Frau Barbara Ostmeier

Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses Herrn Dr. Andreas Tietze

Per E-Mail: innenausschuss@landtag.ltsh.de

Schriftliche Anhörung des Innen- und Rechtsausschusses und des Wirtschaftsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtags:

Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Durchführung von Abschnittskontrollen / Gesetzentwurf der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2847

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) bedankt sich für die Möglichkeit, sich zum o.a. Gesetzentwurf äußern zu können und nimmt wie folgt Stellung:

Der vorliegende Gesetzentwurf wird vom DVR vollumfänglich begrüßt. Eine Verabschiedung des Gesetzent- wurfs würde die notwendige Rechtsgrundlage für die Durchführung von Abschnittskontrollen in Schleswig-Holstein legen.

Die Erfahrungen mit der in Niedersachsen eingesetzten Anlage zur Abschnittskontrolle belegen einen starken positiven Effekt auf die Verkehrssicherheit (vgl. Bericht Niedersachsen bei der Innenministerkonferenz am 10. Dezember 2020, Anlage zu TOP 24). Auch der langjährige Einsatz vergleichbarer Technologie in Österreich ist als großer Erfolg für die Verbesserung der Regeltreue und Unfallverhütung zu werten.

Im Übrigen liegt in der automatisierten Kennzeichenerfassung, wie sie durch die niedersächsische Anlage zur Abschnittskontrolle praktiziert wird, kein unrechtmäßiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 31.7.2020-3B 4/20 sowie OVG Lüneburg, Urteil vom 13.11.2019-12 LC 79/19).1 Schließlich soll die vom Bundesverfassungsgericht mit der Entscheidung vom 18. Dezember 2018 (BVerfGE 150, 309 – 345) klargestellte Anforderung einer entsprechenden Rechtsgrundlage für die automatisierte Kennzeichenerfassung durch den vorliegenden Gesetzentwurf in gleicher Weise für Schleswig-Holstein geschaffen werden.

Zum Hintergrund:

Das OVG Niedersachsen stellte klar, dass die neue Ermächtigungsgrundlage des § 32 Abs. 6 NPOG allen juristischen Anforderungen entspricht, die an einen Landesgesetzgeber zu stellen sind. Materiell ist die Vorschrift des § 32 Abs. 6 NPOG verfassungskonform.2 Die Begründung der materiellen Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsnorm gelingt souverän, indem auf die einschlägige und dogmatisch klare Rechtsprechung des BVerfG zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurückgegriffen wird. Auch die vordergründige Taktik des klagenden Autofahrers, der Polizei die Taktik der Verkehrsüberwachung durch den von ihm bevorzugten Einsatz „klassischer Messgeräte“ diktieren zu wollen, wird vom OVG durchschaut und mit der überzeugenden Begründung des besonderen Wirkprinzips und der daraus folgenden und bereits erwiesenen besonderen Wirksamkeit der Abschnittskontrolle widerlegt.

Das Bundesverwaltungsgericht stand vor dem Dilemma, über eine Nichtzulassungsbeschwerde entscheiden zu müssen, die erstens von einem Rechtsanwalt in jeglicher Hinsicht fachlich nur sehr unzureichend begründet worden war und sich zweitens auf nicht revisibeles Landesrecht bezog.3

Daher musste sich das BVerwG auf die Position zurückziehen, die Berufungsentscheidung des OVG Lüneburg hinsichtlich der darin enthaltenen Darlegungen zur Gesetzgebungskompetenz zu rezitieren und dabei nicht der Gefahr zu unterliegen, seine eigene Auffassung allzu sehr in den Vordergrund zu rücken.4 Da auch die unmittelbar gegen den Beschluss des BVerwG vom 31.7.2020 und den Beschluss des OVG Lüneburg vom 13.11.2019 sowie mittelbar gegen § 32 Abs 6 NPOG idF vom 17.12.2019 und § 32 Abs 7 SOG ND idF vom 20.05.2019 gerichtete Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht nicht einmal zur Entschei- dung angenommen wurde,5 besteht keine Notwendigkeit, von der oben dargestellten Auffassung einer formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der Abschnittskontrolle abzurücken.


1 Vgl. dazu Müller, Dieter: Geschwindigkeitsüberwachung durch Abschnittskontrolle, in NZV 3/2020, S. 145 f. sowie Müller, Dieter: Erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde zur Abschnittskontrolle, in NZV 2/2021, S. 99 f.
2 OVG Lüneburg, Urt. v. 13.11.2019 – 12 LC 79/19, Rn. 40, juris.
3 BVerwG, Beschl. v. 31.7.2020 – 3 B 4/20, Rn. 13, juris, auch zum Folgenden.
4 Vgl. dazu ausführlich die Anmerkung zur Entscheidung des BVerwG von Müller, in: NZV 2021, 99 ff. 5 BVerfG, Kammerbeschluss ohne Begründung vom 11.1.2021 – 1 BvR 2356/20, juris.