Stellungnahme anlässlich der Verbändeanhörung zum „Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung“
Stellungnahme
19.4.2021
Verbändeanhörung zum „Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung“
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) bedankt sich für die Einladung zur Verbändeanhörung vom 31.03.2021 und beantwortet diese mit der folgenden Stellungnahme.
Gesamtbewertung
Der vorliegende Entwurf stellt aus Sicht des DVR eine folgerichtige Umsetzung der Novellierungen der Straßenverkehrsordnung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3047) geändert worden ist, dar. Einige Änderungen zeigen deutlich die Absicht einer stärkeren Förderung des Radverkehrs unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit, so zum Beispiel die erleichterte Anordnung von Fahrradstraßen, welche eine bessere Netzplanung auf kommunaler Ebene ermöglichen dürfte.
Kritisch gesehen wird eine Verrechtlichung der Entscheidung gegen Schutzstreifen außerorts und für die Einführung des Grünpfeils für den Radverkehr. Was die Schutzstreifen außerorts angeht, so ist uns kein Abschlussbericht zu den bisherigen Modellprojekten bekannt, der sich klar gegen die Ermöglichung von Schutzstreifen außerorts ausspricht. Beim Grünpfeil für den Radverkehr wurden die Einsatzbedingungen sogar definiert, ohne dass die zugrundeliegenden Forschungsergebnisse zuvor veröffentlicht wurden. Gerade bei diesen Punkten, die Abwägungen zwischen der Sicherheit und Leichtigkeit verschiedener Verkehrsteilnahmearten erfordern, wäre eine öffentliche fachliche Diskussion angezeigt. Entsprechend kann eine abschließende Bewertung seitens des DVR zu diesen Punkten noch nicht erfolgen.
Erwartet wurde zudem die angekündigte Überarbeitung der Regelungen zur sogenannten Innovationsklausel, welche den örtlichen Behörden größeren Entscheidungsspielraum übertragen sollte. Zu einzelnen Punkten wird auf die nachfolgende Kommentierung verwiesen.
Kommentierung im Einzelnen:
Zu Artikel 1:
1. VwV-StVO Zu § 2 Straßenbenutzung durch Fahrzeuge
- a) Zu Absatz 4 Satz 2
aa) I. Allgemeines
2. (Randnr. 9)
Benutzungspflichtige baulich angelegte Radwege dürfen nur angeordnet werden, wenn ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen. Sie dürfen nur dort angeordnet werden, wo es die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsablauf erfordern. Innerorts kann diesinsbesonderebeispielsweise für Vorfahrtstraßen mit starkem Kraftfahrzeugverkehr oder für Straßen mit einer Geschwindigkeit von über 50 km/h gelten
Kommentierung:
Der DVR begrüßt die Änderung der Formulierung von „insbesondere“ in „beispielsweise“, da diese noch stärker verdeutlicht, dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung handelt, sodass die zuständige Behörde im Sinne der Verkehrssicherheit entscheiden kann. Es stellt sich jedoch die Frage, ob bei „Straßen mit einer Geschwindigkeit von über 50 km/h“ nicht „ab 50 km/h“ gemeint ist. Bei Randnummer 12 zu Schutzstreifen für den Radverkehr wird beispielsweise in präziserer Formulierung eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von „bis zu 50 km/h“ genannt.
Falls eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von über 50 km/h gemeint ist, sollte dies auch so formuliert werden, damit deutlich wird, dass nicht die Straße selbst die Geschwindigkeit aufweist, sondern dass diese Straße mit einer höchstens zugelassenen Geschwindigkeit befahren werden kann.
- 3. (Randnr. 10)
- Ein Radfahrstreifen ist ein durch Zeichen 237 angeordneter Sonderweg, der mittels Zeichen 295 (Breitstrich: 0,25 m) von der Fahrbahn abgetrennt ist. Zur besseren Erkennbarkeit
kann in seinem Verlaufist in regelmäßigen Abständen Zeichen 237 oder das Sinnbild Radverkehr als Markierung aufzubringen. Werden Radfahrstreifen an Straßen mit starkem Kraftfahrzeugverkehr oder an Straßen mit einer Geschwindigkeit von über 50 km/h angelegt, ist ein breiter Radfahrstreifen oder ein zusätzlicher Sicherheitsraum zum fließenden Verkehr erforderlich. In Kreisverkehren sind Radfahrstreifen nicht zulässig.“
Kommentierung:
Die Pflicht zur verstärkten Verwendung des Zeichens 237 oder des Sinnbilds Radverkehr als Markierung auf der Fahrbahn wird vom DVR zur Verbesserung der Sicherheit des Radverkehrs befürwortet. Auch hier stellt sich jedoch die Frage, warum breite Radfahrstreifen oder ein zusätzlicher Sicherheitsraum zum fließenden Verkehr nicht bereits an Straßen „ab einer Geschwindigkeit von 50 km/h“ erforderlich sein sollen.
- 4. (Randnr. 11)
IstLässt sich ein Radfahrstreifen nicht verwirklichen,kann auf der Fahrbahn ein Schutzstreifen angelegt werdensollte auch die Anordnung eines Schutzstreifens geprüft werden. Ist die Anordnung eines Schutzstreifens nicht möglich, kannistdie Freigabe des Gehweges zur Mitbenutzung durch den Radverkehr in Betracht gezogen werdenzu ziehen. Zum Gehweg vgl. zu Zeichen 239.
Kommentierung:
Die verstärkte Aufforderung, die Anordnung eines Schutzstreifens zu prüfen, ist zu begrüßen. Problematisch ist jedoch, dass dadurch eine Rangfolge der Radverkehrsführungen vorgegeben wird, die planerisch oft nicht richtig ist. Denn ein Radfahrstreifen, der sich mit (einer Kombination von) Mindestmaßen verwirklichen lässt, ist oft ungünstiger als ein Schutzstreifen mit Regelmaßen. Die VwV kann an dieser Stelle so interpretiert werden als gäbe es nur ein Entweder-oder.
Zudem sollte die Freigabe des Gehweges für den Radverkehr nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen, wenn die Sicherheit des Radverkehrs dies erfordert. Grundsätzlich ist – soweit möglich – eine getrennte Führung von Fuß- und Radverkehr anzustreben. Dabei sollte keinesfalls maßgeblich sein, ob der Radverkehr als Zumutung für den Kfz-Verkehr wahrgenommen werden könnte. Stattdessen muss der Schutz des Fußverkehrs unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten gewahrt bleiben.
- 5. (Randnr. 12)
- Ein Schutzstreifen für den Radverkehr ist ein am rechten Fahrbahnrand mit Zeichen 340 markierter und zusätzlich in regelmäßigen Abständen mit dem Sinnbild „Radverkehr“ versehener Teil der Fahrbahn. Er
kanndarf nur innerhalb geschlossener Ortschaften auf Straßen mit einer zulässigen Höchst- geschwindigkeit von bis zu 50 km/h markiert werden und nur, wenn die Verkehrszusammensetzung eine Mitbenutzung des Schutzstreifens durch den Kraftfahrzeugverkehr nur in seltenen Fällen erfordert. [...]
Kommentierung:
Im Bericht des BMVI anlässlich der Verkehrsministerkonferenz vom 4./5. April 20191 heißt es „Der Abschlussbericht des NRVP-Projekts zu Schutzstreifen außerorts belegt, dass sich die Anlage eines Schutzstreifens im Außerortsbereich nicht förderlich auf die Verkehrssicherheit auswirkt. Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des BMVI die Anordnung von Schutzstreifen auf Straßen außerorts nicht angezeigt.“
Für den DVR ist nicht erkennbar, auf welchem Abschlussbericht diese endgültige Ablehnung von Schutzstreifen außerorts basiert. Vor diesem Hintergrund wäre die Veröffentlichung einer solchen Quelle und Begründung durch das BMVI erforderlich, um diese Entscheidung in der VwV-StVO besser nachvollziehen und fachlich bewerten zu können.
Aus Sicht des DVR ist noch nicht ausreichend belegt, dass Schutzstreifen außerorts unter gewissen Voraussetzungen nicht doch die Verkehrssicherheit des Radverkehrs und zudem auch die des Kfz-Verkehrs verbessern können, wenngleich ohne Zweifel eine baulich getrennte Radverkehrsführung vorzuziehen ist. Nach unserer Kenntnis werden in den Niederlanden Schutzstreifen außerorts als Führungsform erfolgreich genutzt. Was den Kfz-Verkehr angeht, so würde dieser infolge der markierten Schutzstreifen vermutlich mittiger fahren, wodurch es vorstellbar ist, dass die Gefahr von Abkommens- und Bankettunfällen reduziert würde. Selbstverständlich sind auch die in der Praxis zu beobachtenden gefahrenen Geschwindigkeiten sowie Überholabstände gegenüber Rad Fahrenden in die Betrachtung einzubeziehen, auch vor dem Hintergrund der inzwischen eindeutig in der StVO definierten Überholabstände zum Radverkehr.
2. VwV-StVO Zu § 9 Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren
Zu Absatz 2
II. (Randnr. 4)
- Im Fall von Radverkehrsanlagen im Zuge von Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) und an Kreuzungen oder Einmündungen mit vorfahrtgebendem Zeichen 301 sind Radwegefurten stets zu markieren.
Kommentierung:
Diese Regelung wird vom DVR im Sinne eines zusätzlichen Hinweises an einer Konfliktsituation begrüßt.
3. VwV-StVO Zu § 12 Halten und Parken
Zu Absatz 3 Nr. 1 (Randnr. 2)
- „Wo an einer Kreuzung oder Einmündung die Parkverbotsstrecke von 5 bzw. 8 Metern keine ausreichende Sicht in die andere Straße schafft oder das Abbiegen erschwert, ist diese z. B. durch die Grenzmarkierung (Zeichen 299) angemessen zu verlängern. Wo es erforderlich ist, kann auch die Parkverbotsstrecke von 5 bzw. 8 Metern zur Unterstreichung des Verbots entsprechend gekennzeichnet werden.“
Kommentierung:
Hierbei handelt es sich um eine folgerichtige Umsetzung der StVO-Novelle. Der DVR verweist dazu jedoch auf seine Stellungnahme vom Oktober 2019 zum Entwurf der StVO-Novelle2, den DVR-Beschluss „Verbesserung der Sicherheit für zu Fuß Gehende“ vom Oktober 20213 und den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz (VMK) vom April 2021 zu den Vorschlägen der Ad-hoc-AG Fußverkehrspolitik der VMK zur Novellierung des Rechtsrahmens zur Erhöhung der Sicherheit und Attraktivität des Fußverkehrs. Bei der Definition der freizuhaltenden Sichtfelder und damit verbundenen Park- und Halteverboten insbesondere an Kreuzungen, Einmündungen und Querungshilfen sollten die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) herangezogen und bereits in der StVO und dann entsprechend in der VwV-StVO erwähnt werden. Diese beziehen die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit ein und gelten unabhängig davon, ob neben der Fahrbahn ein baulich angelegter Radweg verläuft. Es ist auch im Sinne der Sicherheit von zu Fuß Gehenden wichtig, dass diese – unabhängig vom Vorhandensein solcher Radwege – frühzeitig herannahende Fahrzeuge sehen und von den Kfz Führenden wahrgenommen werden.
Eine entsprechende Markierung erscheint auch vor dem Hintergrund des überall steigenden Parkdrucks sinnvoll. Die Grenzmarkierung (Zeichen 299) sollte generell auf die Fahrbahn aufgebracht werden, um die Regelung aus § 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO zu verdeutlichen und jegliche Missverständnisse zu vermeiden. Im Übrigen ist das Parkverbot dann auch leichter zu überwachen.
9. VwV-StVO Zu § 37 Wechsellichtzeichen, Dauerlichtzeichen und Grünpfeil
Zu den Nummern 1 und 2
XII. Grünpfeil für den Radverkehr
Eine abschließende Bewertung der vorgeschlagenen Einsatzbereiche und Ausschlusstatbestände wird dadurch erschwert, dass die Ergebnisse der Pilotuntersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bisher noch nicht veröffentlicht wurden. Bei der Aufnahme des Grünpfeils für Radfahrende in die StVO war diese Untersuchung noch nicht einmal abgeschlossen. Der DVR muss folglich davon ausgehen, dass die Erkenntnisse des Pilotversuchs der Einführung des Grünpfeils nicht entgegenstehen und dass die entsprechenden Angaben zu den Einsatzbereichen ebenfalls auf den Erkenntnissen der BASt basieren. Wir drängen auf eine zeitnahe Veröffentlichung der Ergebnisse.
13. VwV-StVO Zu § 41 Vorschriftzeichen
b) Nummer IV. Zu Zeichen 220 Einbahnstraße
Nummer 1
- Beträgt in Einbahnstraßen die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht mehr als 30 km/h,
kannsoll Radverkehr in Gegenrichtung zugelassen werden, wenn
a) eine ausreichende Begegnungsbreite vorhanden ist, ausgenommen an kurzen Engstellen; bei Linienbusverkehr oder bei stärkerem Verkehr mit Lastkraftwagen muss diese mindestens3,5 m4,5 m betragen, [...]
Bei der Begegnungsbreite im Sinne von Satz 1 Buchstabe a handelt es sich um den unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten tatsächlich beim Begegnen der am Verkehr Teilnehmenden zur Verfügung stehenden Raum.
Kommentierung:
Die Änderung der Formulierung von „kann“ in „soll“ wird als Schritt im Sinne einer Förderung des Radverkehrs interpretiert. In Verbindung mit der Einschränkung durch die Angabe einer neuen Begegnungsbreite wird den Kommunen dennoch weiterhin ermöglicht, gemäß der Situation vor Ort über die Freigabe zu entscheiden. So verbleibt die Verantwortung über eine Zulassung des Radverkehrs in Gegenrichtung richtigerweise bei der örtlich zuständigen Behörde.
Die Nennung eines solchen Maßes für die Begegnungsbreite ist jedoch nicht empfehlenswert, weil dies in der Praxis dazu führen könnte, dass Radnetze unterbrochen werden. Zudem könnte diese Breite sogar insofern kontraproduktiv sein, als sie zum Überholvorgang Bus/Rad verleitet und dabei der Überholabstand von 1,5m kaum eingehalten werden kann.
13. VwV-StVO Zu § 41 Vorschriftzeichen
e) VwV-StVO Zu Zeichen 244.1 und 244.2 Beginn und Ende einer Fahrradstraße
I. (Randnr. 1)
Fahrradstraßen kommen dann in Betracht, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies alsbald zu erwarten ist.- Die Anordnung einer Fahrradstraße kommt nur auf Straßen mit einer hohen oder zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte oder auf Straßen von lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr in Betracht. Eine hohe Fahrradverkehrsdichte setzt nicht voraus, dass der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist.
Kommentierung:
Diese Änderung wird durch den DVR begrüßt. Hier ist der Geist der Radverkehrsförderung deutlich zu spüren. Die neue Formulierung dürfte dazu beitragen, dass Kommunen leichter eine nach Sicherheitsbelangen ausgerichtete, verkehrsmittelübergreifende Netzplanung umsetzen können.
14. VwV-StVO Zu § 42 Richtzeichen
c) Zu Zeichen 342 Haifischzähne
Den zuständigen Behörden wird recht viel Spielraum für die Anordnung der Haifischzähne gelassen, da die genannten Anwendungsfälle eher vage bleiben. Folglich ist möglicherweise eine nicht bundeseinheitliche Anwendungspraxis zu erwarten. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der DVR, die Auswirkungen der Haifischzähne auf das Verkehrsverhalten über einen Zeitraum von drei Jahren wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren.
16. Vwv-StVO Zu § 44a Besondere sachliche Zuständigkeit des Fernstraßen-Bundesamtes
Die angekündigte Herausgabe von Richtlinien für die Arbeit der Autobahn-Unfallkommissionen als zentralem Instrument der Verkehrssicherheitsarbeit wird sehr begrüßt. In die Erarbeitung sollten die praktischen Erfahrungen der bisherigen Autobahn-Unfallkommissionen der Länder umfassend einbezogen werden.
Insbesondere ist sicherzustellen, dass die organisatorischen Schnittstellen für die Umsetzung der Empfehlungen, insbesondere bauliche Maßnahmen, bedacht und ausreichende Personal- und Sachmittel bereitgestellt werden.
Über einen monatlichen Austausch von Unfalldaten hinaus sollte eine Verpflichtung zu unverzüglichen Meldungen bei Auffälligkeiten im Unfallgeschehen vorgesehen werden, um etwa Gefahrensituationen durch Arbeitsstellen, schlechte Straßenmarkierungen, Veränderungen im Verkehrsaufkommen etc. sofort entgegentreten zu können.
17. VwV Zu § 45 Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen
e) zu Absatz 3 Nummer IV Nummer 2
Einfügung in Buchstabe a nach Satz 1
Satz 1: Alle zwei Jahre haben die Straßenverkehrsbehörden zu diesem Zweck eine umfassende Verkehrsschau vorzunehmen, auf Straßen von erheblicher Verkehrsbedeutung und überall dort, wo nicht selten Unfälle vorkommen, alljährlich, erforderlichenfalls auch bei Nacht. An den Verkehrsschauen haben sich die Polizei und die Straßenbaubehörden zu beteiligen; auch die Träger der Straßenbaulast, die öffentlichen Verkehrsunternehmen und ortsfremde Sachkundige aus Kreisen der Verkehrsteilnehmer sind dazu einzuladen. Bei der Prüfung der Sicherung von Bahnübergängen sind die Bahnunternehmen, für andere Schienenbahnen gegebenenfalls die für die technische Bahnaufsicht zuständigen Behörden hinzuzuziehen. Über die Durchführung der Verkehrsschau ist eine Niederschrift zu fertigen.
Neuer Satz 2
Das Fernstraßen-Bundesamt oder die auf Grund des § 6 des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes beliehen Gesellschaft privaten Rechts führen auf den mit Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichneten Autobahnen in der Baulast des Bundes regelmäßig Verkehrsschauen durch. An den Verkehrsschauen haben sich die für die Autobahn örtlich zuständigen Länder-Polizeien zu beteiligen. Über die Durchführung der Verkehrsschau ist eine Niederschrift zu fertigen.
Kommentierung:
Hier sollten wegen der Gefährdungslage durch hohe Geschwindigkeiten auf Bundesautobahnen Dämmerungs- und Nachtverkehrsschauen verpflichtend vorgesehen werden (und nicht nur „erforderlichenfalls“). Dies ist gerade an Autobahnkreuzen, Auf- und Abfahrten sowie im Zusammenhang mit Arbeitsstellen dringend geboten. Die Vorgabe „regelmäßig“ sollte dringend konkretisiert werden. Der DVR empfiehlt dafür einen jährlichen Turnus jeweils im Spätherbst nach dem Ende der Sommerzeit, weil dann die Sichtbedingungen regelmäßig schlechter sind als zu anderen Jahreszeiten.
Fehlt im vorgelegten Entwurf:
Zu § 45 Absatz 1 Nr. 6 StVO, Innovationsklausel
Im DVR war erwartet worden, dass die Öffnung der Experimentierklausel aus § 45 StVO in der Novelle der VwV-StVO weiter konkretisiert würde. Dies lässt der vorliegende Entwurf jedoch vermissen.
Eine Befreiung von Verkehrsversuchen in der StVO von den Begründungserfordernissen einer qualifizierten örtlichen Gefahrenlage ist ein richtiger Schritt in Richtung einer größeren Entscheidungsfreiheit der Kommunen, welche durch entsprechende Änderungen des Straßenverkehrs-Gesetzes und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung hergestellt werden sollte.
Die Voraussetzungen etwa für die Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Fahrradstraßen bleiben weiterhin sehr restriktiv. Es sollte den Kommunen jedoch möglich gemacht werden, auch durch die Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen Strecken für den Radverkehr sicherer und attraktiv zu machen. Dazu sollte für eine integrale Netzplanung über Verkehrsversuche hinausgehend auf den Nachweis örtlicher Gefahrenlagen oder einen bereits bestehenden hohen Anteil des Radverkehrs („Henne-Ei-Problem“) verzichtet werden. Stattdessen sollte eine Genehmigung von Rad- und Fußverkehrsplänen durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden ausreichen, den örtlichen Verkehrsbehörden die verkehrsrechtlichen Anordnungen im Einzelfall zu überlassen.
Der DVR unterstützt in diesem Kontext auch den Beschluss der VMK zur Berücksichtigung der Vorschläge der Ad-hoc-AG Fußverkehrspolitik vom April 2021, die Experimentierklausel aus § 45 Absatz 1 Nummer 6 zu einer echten Innovationsklausel zu erweitern und so nach entsprechender Abstimmung mit den obersten Straßenverkehrsbehörden der Länder auch die Erprobung neuer Verkehrsregelungen zu ermöglichen.