DVR-Stellungnahme anlässlich der Verbändeanhörung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften

des Deutschen Verkehrssicherheitsrates

Stellungnahme

16.07.2020

Verbändeanhörung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften

AZ: StV 12/7362.1/2-4

Dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mit Schreiben vom 22. Juni 2020 die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften eröffnet.

Der DVR bedankt sich für die Möglichkeit der Stellungnahme und kommentiert im Folgenden einzelne Änderungsvorschläge, die einen Bezug zur Verkehrssicherheit aufweisen:

Zu § 6 StVG, Überarbeitung der Ermächtigungsgrundlagen zu Rechtsverordnungen

Neben der aus unserer Sicht grundsätzlich sinnvollen systematischen Überarbeitung der Ermächtigungsgrundlagen für den Verordnungsgeber soll im Wesentlichen das Typgenehmigungsverfahren durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden können.

Bewertung:

  • Durch den Verzicht auf die Zustimmung des Bundesrates verspricht sich der DVR eine Beschleunigung der Anwendung europäischer Vorschriften zur Typgenehmigung, welche im Regelfall der technischen Verkehrssicherheit zugutekommen (z. B. Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme). Entsprechend wird ein Verzicht auf die Zustimmung des Bundesrates dann als gerechtfertigt angesehen, wenn eine entsprechende Eilbedürftigkeit besteht, europäisches Recht in nationale Verfahren zu übertragen. Ob aber ein so weitgehender, genereller Verzicht auf die Mitwirkung der Länder gerechtfertigt ist, ist aus unserer Sicht kritisch zu hinterfragen.
  • Durch die Überarbeitung der Ermächtigungsgrundlagen sind teilweise etablierte Begriffe weggefallen, die nun möglicherweise zu einer zu starken Vereinfachung führen könnten. Bezüglich Beispielen verweisen wir auf die Stellungnahme unseres Mitglieds Verband der TÜV e.V. und teilen die Auffassung, dass insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an Überwachungs- und Prüfinstitutionen ein höherer gesetzlicher Konkretisierungsgrad zur Absicherung des Erfolgsmodells der technischen Überwachung und Prüfung von Fahrzeugen und -teilen in Deutschland sinnvoll wäre.
  • Gleiches gilt für das Fahrerlaubniswesen, wo der Begriff der Prüfung der Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen dringend beizubehalten ist. Ein Abweichen vom Prinzip der unabhängigen Prüfung wäre der Verkehrssicherheit eindeutig abträglich und sollte gar nicht, erst recht nicht ohne Zustimmung des Gesetzgebers, erfolgen.
  • Missverständlich ist die neue Vorschrift des § 6 Abs. 3 Nr. 7 StVG hinsichtlich der Mitwirkung Privater an der Durchführung von Großraum- und Schwerlasttransporten bzw. Fahrzeuguntersuchungen, was sich auch aus dem Begründungstext nicht erschließt. Gerade hinsichtlich der sensiblen Übertragung staatlicher Aufgaben an Private durch Beleihung oder Verwaltungshilfe ist hier unbedingt eine Klärung der begrifflichen Bezüge und damit der genauen Anwendungsfälle dieser Norm herbeizuführen.

Zu § 24 StVG mit Streichung § 23 StVG, Sanktionierung von Verstößen gegen (Typ-)Genehmigungsvorschriften

Die Änderungen des § 24 StVG, die Streichung des § 23 StVG und dessen Integration in § 24 StVG sollen laut Gesetzesbegründung der Verbesserung der Sanktionierung von Verstößen gegen nationale Genehmigungsvorschriften bzw. europäische Typgenehmigungsvorschriften dienen.

Bewertung: Die Neufassung und Präzisierung der Vorschriften hinsichtlich von Verstößen gegen das Typgenehmigungsverfahren werden positiv bewertet, um hier die Hürden für das Begehen von Verstößen auch im Sinne der Verkehrssicherheit möglichst hoch anzusetzen. Begrüßenswert ist ebenfalls die deutliche Erhöhung der entsprechenden Bußgelder um das bis zu Zehnfache für juristische Personen.

Zu § 25a, Abs. 1 StVG, Halterkostenhaftung für verbotswidrig abgestellte Anhänger

Die Halterkostenhaftung soll mit dieser Änderung auch auf verbotswidrig abgestellte Anhänger ohne Kraftfahrzeug in den Fällen ausgeweitet werden, in denen der Verursacher nicht ermittelt werden kann.

Bewertung: Auch wenn die Halterkostenhaftung nur eine geringe Abschreckungswirkung entfaltet, ist dies als richtiger Schritt zu werten, um das verbotswidrige (und damit beispielsweise durch Sichtbehinderung potenziell der Verkehrssicherheit abträgliche) Abstellen von Anhängern zu ahnden.
Leider wurde hier jedoch der Prüfbitte der Verkehrsministerkonferenz (Beschluss vom 26. März 2020, Punkt 6.2) nach einer Ausweitung der Halter(kosten)haftung auf den fließenden Verkehr bislang nicht entsprochen.

§§ 28, 29 StVG, kein absolutes Verwertungsverbot bei Verkehrsverstößen aus Entziehungsentscheidung

Die Verkehrsverstöße, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt haben und in dem zugehörigen Bescheid ersichtlich sind, sollen trotz deren Löschung aus dem Fahreignungsregister nicht dem absoluten Verwertungsverbot unterfallen.

Bewertung: Die Klarstellung zur Verwertbarkeit schwerer Verstöße, die in einer noch nicht gelöschten Entziehungsentscheidung genannt sind, ist sehr zu begrüßen. Sie kann dazu beitragen, eine sachgerechte Entscheidung über die Fahreignung einer Person, und damit die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden, rechtssicher treffen zu können.

§ 32 StVG, Fahrzeugregister mit explizitem Zweck Verkehrssicherheit

Zu den Zwecken der Verwendung des Fahrzeugregisters soll u.a. die Verkehrssicherheit neu als explizites Schutzgut genannt werden. Damit soll das Kraftfahrt-Bundesamt die Halter zum Beispiel zu entsprechenden technischen Verbesserungen, Zusatzausrüstungen oder über einen Austausch von Teilen informieren können.

Bewertung: Die Verwendung von Fahrzeugdaten durch das Kraftfahrt-Bundesamt, u.a. zum Schutz der Verkehrssicherheit, auf eine klare rechtliche Grundlage zu stellen, ist zu begrüßen. Insbesondere die Einfügung von § 32 Abs. 3 StVG mit dem expliziten Schutzgut Verkehrssicherheit ist sehr zu befürworten und könnte auch die Information der Halter über notwendige Software-Updates automatisierter Fahrfunktionen ermöglichen.

§ 63e, Datenerhebung, -speicherung und -verwendung zum Zwecke des Verkehrsmanagements
Mit einem neuen § 63e StVG soll eine zentrale Rechtsgrundlage für die Datenerhebung, -speicherung und -verwendung im Rahmen des Verkehrsmanagements geschaffen werden.

Bewertung:

  • Die Neuregelung wird ausdrücklich begrüßt als Klärung der Rechtsgrundlage für den Straßenbaulastträger, da ein professionelles Verkehrsmanagement einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Verkehrssicherheit leisten kann, etwa wie im Begründungstext ausgeführt in Form von Streckenbeeinflussungsanlagen, Stauwarnungen etc.
  • Insbesondere die in Absatz 2 eröffnete Rechtsgrundlage für das vernetzte Fahren (car2infrastructure) ebnet einer technischen Entwicklung mit enormem Potenzial zur Steigerung der Verkehrssicherheit den Weg, indem solche Daten durch die Verwaltungen künftig rechtssicher genutzt werden könnten.
  • Hier sehen wir auch einen Zusammenhang mit einer genaueren Regelung der Datenerhebung, -speicherung und -verwendung bei hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen in § 63a StVG (Fahrmodusspeicher) und weisen auf den Bedarf hin, dies zeitnah ebenfalls genauer zu regeln.