Abschnittbezogene Geschwindigkeitsüberwachung („Section Control“)

Beschluss des DVR-Vorstands vom 25.06.2010 auf der Basis der Empfehlung der Ausschüsse Verkehrstechnik und Recht

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2010

Erläuterung

Das Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit, insbesondere mit Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, ist eine der wesentlichen Ursachen für Verkehrsunfälle. Untersuchungen haben nachgewiesen, dass die Durchsetzung von Geschwindigkeitsvorschriften die Anzahl und die Schwere der Unfälle in den entsprechenden Abschnitten deutlich senkt.

Mit der abschnittbezogenen Geschwindigkeitsüberwachung ist es möglich, den durch punktuelle Kontrollen nur punktuell erreichbaren Effekt der Geschwindigkeitseinhaltung auf den gesamten überwachten Streckenabschnitt auszudehnen.

Der Ansatz von Section Control besteht darin, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit sämtlicher den Überwachungsabschnitt passierender Fahrzeuge auf der gesamten Wegstrecke gemessen wird, und zwar unabhängig davon, ob der betreffende Fahrzeugführer eine Übertretung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit begangen hat oder nicht. Auf der Basis der Kennzeichenerfassung aller Fahrzeuge machen digitale Videokameras per fotografischer Erfassung einen vollautomatischen Vergleich der Aufnahmen zu Beginn und am Ende des überwachten Abschnittes, in dem die Durchschnittsgeschwindigkeit errechnet wird (Weg-Zeit-Berechnung). Bei Übertretungen werden die Daten an die Zentrale der Polizei übermittelt. Alle anderen Aufnahmen werden sofort gelöscht.

Ziel dieser Maßnahme ist die durchgängige Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, so dass vor allem die Verkehrssicherheit erhöht wird.

Diese Art der Überwachung stellt nach derzeit geltender Rechtsauffassung einen Eingriff in das Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“ dar. Es ist daher erforderlich, dass der Gesetzgeber die entsprechende Rechtsgrundlage schafft.

Die bisherigen Erfahrungen im Ausland sind positiv: So wurden in den Niederlanden nach Installation des Systems an einer Autobahn im Jahre 2002 nur noch 0,5 % Geschwindigkeitsübertretungen registriert. Die Zahl der Verkehrsunfälle sank um 47 %.

In Österreich sind seit 2003 insgesamt vier Anlagen auf Autobahnen im Einsatz: eine ortsfeste Anlage an einem Tunnel, eine weitere auf einem alpinen Abschnitt sowie zwei mobile Anlagen. Seitdem liegt die Zahl der Geschwindigkeitsverstöße unter 1 %.

Der Arbeitskreis V des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstages hat sich im Januar 2009 mehrheitlich für die Durchführung eines Versuchs in einem Bundesland ausgesprochen. Der Gesetzgeber habe dazu die erforderliche Rechtsgrundlage zu schaffen. Die gesetzliche Ermächtigung solle u.a. folgende verfassungsrechtliche und prozessuale Maßgaben enthalten:

  • Section Control ist nur an Unfallhäufungsstrecken mit geschwindigkeitsbedingten Unfällen zulässig.
  • Die erhobenen Daten dürfen ausschließlich für die Geschwindigkeitsüberwachung gespeichert werden. Eine Verknüpfung mit anderen Registern oder gespeicherten Daten ist unzulässig.
  • Ein Zweckänderungsverbot ist vorzusehen. Es ist technisch sicherzustellen, dass Daten zu Fahrzeugen, mit denen die Geschwindigkeit nicht überschritten worden ist, nach Abschluss der Messung sofort automatisch und spurenlos gelöscht werden. Zugriffe auf die Daten während der Messung sind auszuschließen.
  • Der überwachte Streckenabschnitt soll mit gut sichtbarem Hin-weisschild angekündigt werden.

Beschluss

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat setzt sich dafür ein, dass die Empfehlung des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstages 2009 nunmehr umgesetzt und im Sinne der Erforschung der Verbesserung der Verkehrssicherheit mit Unterstützung des BMVBS und des DVR ein Modellversuch zu Section Control durchgeführt wird. Die Aussagen des Arbeitskreises V des 47. Deutschen Verkehrsgerichtstages hinsichtlich der zu schaffenden Rechtsgrundlage und der sie enthaltenen Maßgaben werden dabei vom DVR vollumfänglich unterstützt.

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident