BIOS – Barrierefreies Informations- und Orientierungssystem

Sichere Mobilität im Fußverkehr für Menschen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigungen

Projektträger / Auftraggeber: Hallesche Verkehrs‑AG (HAVAG), ein Unternehmen der Stadtwerke Halle-Gruppe, in Kooperation mit der Stadt Halle (Saale) (Fachbereich Mobilität und Tiefbau)

Planung: Planung und Konzeptentwicklung durch HAVAG in Kooperation mit der Stadt Halle (Saale) dem Blinden‑ und Sehbehindertenverband Sachsen‑Anhalt e. V., Berufsförderungswerk Halle GmbH, Landesbildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte Halle, Fahrgastbeirat HAVAG

Umsetzung: HAVAG mit RTB GmbH und Siemens AG

Umsetzungszeitraum: Test- und Entwicklungsphase: 2015–2022, Serienausstattung: 2024 alle Fahrzeuge ausgerüstet

Ort: Halle (Saale)

Handlungsfeld: Sicherer Fußverkehr und Teilhabe für alle

Mehr Informationen: SWH. Stadtwerke Halle

Wie lassen sich die Wege einer Stadt so gestalten, dass sich Menschen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung sicher und eigenständig fortbewegen können? Mit dem Barrierefreien Informations- und Orientierungssystem (BIOS) zeigt die Stadt Halle (Saale), wie eine inklusive und sichere Infrastruktur im öffentlichen Raum gestaltet und umgesetzt werden kann. Das System nutzt akustische Leitsignale und digitale Kommunikation, um Verkehrssicherheit und Orientierung für Menschen mit Sehbeeinträchtigung zu verbessern, an Ampeln ebenso wie im öffentlichen Nahverkehr.


Ausgangslage und Ziel

Konkreter Ausgangspunkt in Halle (Saale) war die Idee, die Ein- und Ausstiegsituation im öffentlichen Personennahverkehr für Menschen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigungen sicherer und zugänglicher zu gestalten. Straßenbahnen sollten auf Wunsch Liniennummer und das Ziel des Fahrzeugs an den Haltestellen ansagen, um die Orientierung zu erleichtern und eine eigenständige und sichere Mobilität zu unterstützen. Parallel dazu rückten auch die Wege zu den Haltestellen in den Blick: Lichtsignalanlagen sollten akustische Signale bei Bedarf automatisch aktivieren oder verstärken.

Im Stadtgebiet zeigte sich dabei ein klarer Handlungsbedarf, denn akustische Signale an Ampeln waren häufig zu leise oder nachts nicht aktiv, was die Orientierung wie ein sicheres Überqueren erschwerte. An Haltestellen fehlten oft verlässliche akustische Informationen zu ankommenden Fahrzeugen, was wiederum die Orientierung erschwerte.

Das Besondere an dem Projekt

Die Entwicklung von BIOS zeichnet sich durch starke Partizipation der Nutzerinnen und Nutzer aus. Der Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen-Anhalt war von Anfang an in Planung, Erprobung und Abnahme eingebunden. Darüber hinaus arbeitete die Hallesche Verkehrs-AG (HAVAG) eng zusammen auch mit dem Berufsförderungswerk Halle GmbH, dem Landesbildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte Halle (LBZ), dem Fahrgastbeirat der HAVAG. Diese kontinuierliche Beteiligung stellte sicher, dass das System alltagstauglich und verlässlich funktioniert.


Maßnahmen

Das BIOS-System basiert auf Bluetooth-Nahfeldtechnik und kann per kostenloser Smartphone-App oder Transponder genutzt werden.

Funktionsweise an Lichtsignalanlagen: Nähert sich eine Person mit aktiviertem Sender oder der App einer Ampel, wird das akustische Signal automatisch ausgelöst oder die Lautstärke des Signals erhöht.

Funktionsweise an Haltestellen: Beim Einfahren von Bussen oder Bahnen werden Liniennummer und Ziel über Außenlautsprecher angesagt, um eine verbesserte Informationslage zu ermöglichen.

Standardisierung: Im Rahmen des Projekts wurden Rahmenlastenhefte für Fahrzeuge und Lichtsignalanlagen entwickelt. Diese standardisierten Vorgaben ermöglichen eine Übernahme und Ausweitung des Systems auf andere Verkehrssysteme und Städte.

Seit 2019 wurde das System schrittweise erprobt und ausgebaut: Zunächst wurden drei Straßenbahnen, ein Bus und eine Lichtsignalanlage mit BIOS ausgestattet, um das System unter realen städtischen Bedingungen zu erproben und kontinuierlich zu optimieren. Die Entwicklung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen-Anhalt e. V., dem Berufsförderungswerk Halle GmbH, dem Landesbildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte Halle (LBZ) und dem Fahrgastbeirat der HAVAG. Diese enge Einbindung der Nutzerinnen und Nutzer sicherte eine praxisnahe Umsetzung.

2025 waren bereits 20 Lichtsignalanlagen an wichtigen Kreuzungen im Stadtgebiet mit BIOS ausgestattet, ebenso alle Straßenbahnen und Busse der HAVAG. Neue Ampelanlagen werden standardmäßig mit der Technik ausgerüstet. Langfristig ist eine Ausdehnung auf das gesamte Stadtgebiet vorgesehen.

Wirkung

BIOS unterstützt die Sicherheit, Eigenständigkeit und Mobilität blinder und sehbehinderter Menschen deutlich, die Resonanz der Nutzerinnen und Nutzer fällt deutlich positiv aus. Das Projekt gilt zudem als Vorreiter für barrierefreie Mobilität im öffentlichen Raum. Zahlreiche Kommunen haben Interesse an dem System bekundet. Die Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) planen, bis Mitte 2026 ihre gesamte Fahrzeugflotte mit BIOS auszustatten.


Verkehrssicherheit

Ein zentrales Anliegen des BIOS-Projekts ist die Reduktion von Unfällen und Gefährdungen bei Menschen mit Sehbeeinträchtigungen. Durch zuverlässige akustische Orientierung und verlässliche Fahrzeuginformation werden Unfallrisiken wie Desorientierung, Missverständnisse oder verspätete Reaktionen minimiert. 


Fazit

Das Barrierefreie Informations- und Orientierungssystem (BIOS) in Halle zeigt, wie technologische Innovation und intensive Partizipation von Nutzerinnen und Nutzern zu einer inklusiven und sicheren Mobilität führen. Mit BIOS wurde ein praxisorientiertes, standardisiertes (DIN 13278) System geschaffen, das den Bedürfnissen von Menschen mit Blindheit und Sehbeeinträchtigungen gerecht wird und die Verkehrssicherheit im öffentlichen Raum nachhaltig verbessert.