Generelle Tempolimits auf Bundesautobahnen

Beschluss vom 11. Mai 2020 auf der Basis der Empfehlungen der DVR-Vorstandsausschüsse

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) fordert generelle Tempolimits für alle Kfz auf Bundesautobahnen, um die Anzahl an Schwerverletzten und Verkehrsunfalltoten nachhaltig zu reduzieren.

Beschluss

Im Sinne der Vision Zero sind Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, Anzahl und Schwere von Verkehrsunfällen zu verringern. Ein generelles Tempolimit auf Bundesautobahnen (BAB) lässt wesentliche Vermeidungseffekte schwerer Unfälle erwarten.

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Verkehrssicherheits-programm aus dem Jahr 2011 das Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrstoten bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken. Hiervon ist Deutschland weit entfernt. Die Europäische Kommission will die Anzahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr in der EU ausgehend vom Jahr 2020 bis zum Jahr 2030 erneut halbieren. Ein Tempolimit auf BAB stellt einen kostengünstigen und schnell zu realisierenden Beitrag dar, dieses Ziel zu erreichen.

In Sorge um die Verkehrsteilnehmenden, die in der Zukunft ums Leben kommen oder schwer verletzt werden, in der Überzeugung, dass sich das Handeln einer Verkehrssicherheitsorganisation einzig und allein am Schutz der Verkehrsteilnehmenden vor den Gefahren des Straßenverkehrs auszurichten hat, nach eingehender Sichtung zahlreicher Statistiken und Studien, nach ausführlicher Prüfung des Willkürverbotes und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und damit einhergehender intensiver Abwägung der Interessen des Einzelnen an möglichst ungehinderter Ausübung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit mit dem Schutz der Allgemeinheit und des Einzelnen vor vermeidbaren Gefahren des Straßenverkehrs, spricht sich der Deutsche Verkehrssicherheitsrat für ein weiteres generelles Tempolimit auf Bundesautobahnen auch für Pkw ohne Anhänger, Motorräder, Trikes und Quads sowie andere Fahrzeuge bis zu 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht aus.

Es bietet sich aus mehreren Gründen ein generelles Tempolimit auf BAB von 130 km/h an: Der Wert ist in der Bevölkerung bereits als Autobahn-Richtgeschwindigkeit bekannt und lässt eine höhere Akzeptanz erwarten. Er ist auch das europaweit am weitesten verbreitete Tempolimit.

Auf geeigneten Streckenabschnitten kann eine Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 mit besonderer Begründung ermöglicht werden.

Der DVR fordert zudem eine deutliche Erhöhung des Einsatzes  intelligenter Verkehrsbeeinflussung auf Bundesautobahnen, um situative Gegebenheiten wie Witterung, Baustellen, Unfälle, Staugefahr und sonstige Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit durch eine angepasste Geschwindigkeitsvorgabe für die einzelnen Fahrzeugarten entschärfen zu können.

Erläuterungen

Deutschland ist das einzige Land in der EU, in dem keine allgemeine, auf dem gesamten Autobahnnetz geltende Geschwindigkeitsbegrenzung für Kfz bis zu 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht existiert. In allen übrigen Ländern gibt es seit vielen Jahren generelle Tempolimits auf Autobahnen in unterschiedlicher Höhe, zumeist zwischen 110 km/h und 130 km/h.

Im Vergleich aller EU-Staaten auf Basis der OECD-Daten liegt Deutschland in der Verkehrssicherheit auf Autobahnen nur im Mittelfeld.

Auf rund 23 Prozent der BAB gilt ein streckenbezogenes, dauerhaftes und auf rund 6 Prozent gilt ein streckenbezogenes, situationsabhängiges Tempolimit. Auf rund 70 Prozent der BAB gilt die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h.

Die Ursachen für Unfälle auf BAB sind stets als multifaktoriell zu bewerten. Dabei spielt insbesondere die Geschwindigkeit eine wesentliche Rolle im Hinblick auf die während der Reaktionszeit gefahrene Strecke und die auf den Fahrzeuginsassen einwirkende kinetische Energie. Eine reduzierte Geschwindigkeit führt bei gleicher Reaktionszeit zu einem kürzeren Anhalteweg bzw. zu verminderter Unfallschwere. Darüber hinaus hat sie einen positiven Einfluss auf die Harmonisierung des Verkehrsflusses.

Dadurch können Unfälle aufgrund hoher Differenzgeschwindigkeiten vermieden und schwere Konflikte und potentielle Unfälle leichter durch Fahrzeug Führende kompensiert werden.

Fahrende orientieren sich bei ihrer Geschwindigkeitswahl auch an sozialen Normen, beispielsweise den Geschwindigkeiten, die sie in Situationen bei anderen Fahrenden oder wichtigen Bezugspersonen als akzeptabel annehmen oder beobachten. Die Beachtung von Tempolimits beeinflusst die soziale Norm und damit auch die Geschwindigkeitswahl Einzelner, da dadurch geringere Geschwindigkeiten häufiger beobachtet und damit auch gewählt werden.

Sicherheit auf Bundesautobahnen erhöhen – jedes Leben zählt!

gez.
Prof. Dr. Walter Eichendorf
Präsident