Empfehlungen zu fahrzeugtechnischen Maßnahmen gegen Rechtsabbiegeunfälle zwischen Lkw und Radfahrer (Toter Winkel)

Beschluss des DVR-Vorstandes vom 23. Mai 2014 auf der Basis der Empfehlung des Vorstandsausschusses Fahrzeugtechnik

Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. – 2014

Erläuterung

Die Situation zwischen rechtsabbiegenden Lkw und geradeausfahrenden Radfahrern führt oftmals zu tödlichen Unfällen und hat eine besondere Bedeutung für das Unfallgeschehen von Radfahrern. Nach Schätzung der Bundesanstalt für Straßenwesen haben sich im Jahr 2012 in Deutschland ca. 650 Abbiegeunfälle mit Personenschaden zwischen Lkw und Radfahrern ereignet, 30 davon endeten tödlich1. Als Hauptursache für diese Unfälle gilt die Nichtwahrnehmung der Radfahrer durch den Lkw-Fahrer.

  1. Fahrzeugtechnische Maßnahmen
  2. Verbesserung der Infrastruktur
  3. Aufklärung der Betroffenen über die Risiken

Zu 1.) Eine fahrzeugtechnische Maßnahmen ist der relativ schnell zu realisierende Einsatz einer Fresnel-Linse, die durch ihre Lichtbrechung den Einblick in Bereiche des ansonsten „Toten Winkels“ erlaubt. Ebenfalls rasch zu verwirklichen ist die Änderung der Schaltung von an Lkw angebrachten Positionsleuchten, so dass diese entsprechend dem Fahrtrichtungsanzeiger blinken. Gefährdete Radfahrer werden so an mehreren Stellen des Fahrzeugs auf dessen Abbiegeabsicht aufmerksam gemacht. Andere fahrzeugtechnische Möglichkeiten bestehen im Einsatz von Kamerasystemen für schlecht und nicht einsehbare Bereiche und deren Darstellung auf Bildschirmen für den Lkw-Fahrer. Auch durchsichtige Türen der Fahrerkabine, insbesondere gläserne Beifahrertüren, wären hilfreich.

Als eine sehr erfolgversprechende Maßnahme wird der „Abbiegeassistent“ für neue Fahrzeuge gesehen, mit Hilfe dessen rechts vom Lkw und vor dem Lkw fahrende Radfahrer detektiert werden. Er kann dem Lkw-Fahrer eine Gefahrensituation anzeigen und je nach Situation ggfs. selbstständig eine Bremsung des Lkw einleiten. Die Unfallforschung der Versicherer schätzt auf Grundlage ihrer Unfalldatenbank, dass damit fast die Hälfte dieser Abbiegeunfälle mit Fußgängern und Radfahrern vermieden werden könnte2.

Die Fehlerquote dieser Systeme ist nach Angaben der Industrie noch zu hoch, so dass eine Markteinführung leider noch nicht erfolgt ist. Auch am Markt verfügbare Nachrüstlösungen erfüllen bei weitem nicht die Ansprüche an Zuverlässigkeit und Fehlerquote und stellen deshalb keine Option dar.

Zu 2.) Durch einfache Hilfsmaßnahmen verkehrstechnischer Art kann Lkw-Fahrern die Möglichkeit gegeben werden, den Raum rechts des Fahrzeugs besser einzusehen. Hierbei gelten Spiegel, die im Kreuzungsbereich angebracht werden, als hilfreich. Darüber hinaus kann die Spurführung, sowohl für Rad- als auch Lkw-Fahrer, in diesen Konfliktbereichen so verbessert werden, dass die Sichtbeziehungen optimiert werden.

Zu 3.) Viele Organisationen, u.a. Verkehrswachten und Verbände des Gütertransportes klären mit Schulungen und in Broschüren sowohl Radfahrer, insbesondere Kinder, als auch Lkw-Fahrer über den Toten Winkel auf. Diese Aktionen müssen weiter fortgeführt werden. Dennoch darf im Sinne der Vision Zero eine Vermeidung dieser Unfälle nicht allein von den Verkehrsteilnehmern erwartet werden, die ganz offensichtlich von der Gefahrensituation überfordert sind.

Beschluss

Zur Vermeidung von Rechtsabbiegeunfällen zwischen Lkw und Radfahrer, die aufgrund der „Toter Winkel“-Problematik entstehen und besonders schwerwiegende, oft tödliche Folgen haben, fordert der DVR alle Beteiligten zu folgenden Maßnahmen auf:

  1. Der DVR fordert die Industrie auf, mit hoher Priorität an der Entwicklung des Abbiegeassistenten für Lkw zu arbeiten.
  2. Diese Systeme sollten vom Gesetzgeber sobald wie möglich vorgeschrieben werden. Im Sinne eines bestmöglichen Wirkpotenzials sollten die Vorschriften international sein.
  3. Als kurzfristig umzusetzende fahrzeugtechnische Maßnahme sollten die Regelungen für Positionsleuchten so geändert werden, dass sie entsprechend den Fahrtrichtungsanzeigern blinken, und es sollen Fresnel-Linsen eingesetzt werden.
  4. Die Infrastruktur sollte an gefährdeten Örtlichkeiten gezielt durch eine optimierte Gestaltung der Verkehrsführung verbessert werden.
  5. Parallel zu den notwendigen Maßnahmen der Fahrzeugtechnik, Gesetzgebung und Infrastruktur sollen Lkw-Fahrer, Radfahrer, aber auch Fußgänger über die gefährlichen „Toter Winkel“-Situationen aufgeklärt werden.

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident


1 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 20.02.2014
2 Hummel, T., Kühn, M., Bende, J., Lang, A.: Fahrerassistenzsysteme – Ermittlung des Sicherheitspotenzials auf Basis des Schadengeschehens der Deutschen Versicherer. Forschungsbericht FS 03, Unfallforschung der Versicherer, Berlin, 2011.