Erweiterung der Kategorien der amtlichen Unfallstatistik und Definition der neuen Kategorie „lebensgefährlich verletzt“

Beschluss vom 26.10.2010 auf der Basis der Empfehlung des Ausschusses Verkehrsmedizin, Erste Hilfe und Rettungswesen

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2010

Erläuterung

Die amtliche Verkehrsunfallstatistik in der Bundesrepublik Deutschland kennt nur drei Kategorien von Verunglückten:

„leicht verletzt“ – „schwer verletzt“ – „getötet“

Als „schwer verletzt“ gelten alle Unfallopfer, die nach einem Verkehrsunfall für mindestens 24 Stunden stationär in eine Klinik aufgenommen werden. Damit umfasst diese Kategorie sowohl Patienten, die zur Beobachtung aufgenommen werden, als auch lebensgefährlich Verletzte. Für eine differenzierte Analyse des Unfallgeschehens und eine jährliche Vergleichbarkeit ist somit das alleinige 24-Stunden-Kriterium zu grob. Es erschwert eine differenzierte Betrachtung der Unfallopfer hinsichtlich Verletzungsschwere und tatsächlichem Unfallgeschehen, also eine konsequente Unfallursachenforschung.

Die Zahl der im Straßenverkehr getöteten und verletzten Personen sinkt seit vielen Jahren. Diese Entwicklung kann einer Studie der BASt und der Erkenntnisse des Traumaregisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie zur Folge allerdings nicht für die Gruppe der Schwerstverletzten bestätigt werden. Die BASt-Untersuchung (BASt , Heft M 200) zeigt, dass im Zeitraum 2005 bis 2006 sogar ein deutlicher Anstieg Schwerstverletzter zu verzeichnen war. Die Unfallforschung geht in aktuellen Untersuchungen von ca. 7.000 schwerstverletzten Verkehrsunfallopfern pro Jahr in Deutschland aus. Besondere Bedeutung muss also zukünftig der Reduktion der Anzahl Schwerstverletzter beigemessen werden.

Eine exakte Definition muss die neueren Erkenntnisse der Verkehrsmedizin berücksichtigen, praktikabel sein und es realistisch erscheinen lassen, dass sie sich auch in den anderen EU-Ländern durchsetzt. (Niederlande, Schweden und Österreich haben bereits Definitionen von „lebensgefährlich Verletzte“ entwickelt. In NL und SE basieren sie auf Verletzungsskalen, da die Polizei- und Krankenhausdaten miteinander vernetzt werden können, was in Deutschland nicht der Fall ist. Damit ist der Definitionszweck ein anderer.)

Beschluss

 

  • Der Vorstand empfiehlt, zukünftig das Kriterium „Unfallfolge“ in der Empfehlung zur Erhebung bundeseinheitlicher Unfallmerkmale von Straßenverkehrsunfällen (EBUS) um die Unfallausprägung „lebensgefährlich verletzt“ zu erweitern.
     
  • In der AG „Allgemeine verkehrspolizeiliche Angelegenheiten der Innenministerkonferenz“ muss dafür geworben werden, diese Erweiterung im Zuge der bevor stehenden Einführung der EBUS zu realisieren.
     
  • Diese neue Kategorie sollte wie folgt definiert werden:

    Als „lebensgefährlich verletzt“ gilt ein Verkehrsteilnehmer, wenn er

    - nach einem Verkehrsunfall einer primärärztlichen Intervention bedurfte,
    - intensivmedizinisch versorgt werden musste,
    - mindestens 24 Stunden in der Klinik verbleiben musste und
    - nicht innerhalb von 30 Tagen verstorben ist.

    Dieser Definitionsansatz wird für Deutschland als am praktikabelsten angesehen. Allerdings kann diese Definition in anderen Ländern zu Abweichungen in der Statistik führen, wenn die ärztliche Einbindung in der Präklinik und die Anwendung der Intensivmedizin dort deutlich anders geregelt sind.
     
  • Die Forschungsaktivitäten hinsichtlich des Abgleichs der Unfalldaten der Polizei mit wissenschaftlichen Daten, z.B. aus dem Traumanetzwerk, sollten verstärkt werden. Die Durchführung einer solchen Forschungsarbeit sollte durch die BASt als Grundlagenstudie erfolgen.
     
  • Die Kommunikation zwischen der Polizei und den Krankenhäusern zur Vervollständigung realistischer und qualitativ hochwertiger Unfalldaten seitens der Polizei sollte verbessert werden und der Abgleich der amtlichen Unfallstatistik mit den medizinischen Datenbänken sollte einer intensiven datenschutzrechtlichen Klärung zugeführt werden.

gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident