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DVR-Vorstandsbeschluss Alkohol

Alkoholverbot am Steuer

Beschluss vom 24.10.2011 auf der Basis der Empfehlung der Ausschüsse Verkehrsmedizin, Erste Hilfe und Rettungswesen vom 03.02.2011 und des Ausschusses Erwachsene Verkehrsteilnehmer vom 22.03.2011

Deutscher Verkehrssicherheitsrat – 2011


Erläuterung

„Wer fährt, trinkt nicht; wer trinkt, fährt nicht„

  • I. Definition „Alkoholunfall“

    • Alkoholunfälle sind Unfälle, bei denen mindestens ein unfallbeteiligter Fahrzeugführer unter Alkoholeinfluss gestanden hat.

  • II. Folgen von Alkoholunfällen

    • In der Bundesrepublik Deutschland:

      440 Unfalltote in 2009
      (10 % aller Verkehrstoten)

      21.735 Verletzte
      (5,5 % aller Verletzten)

      Davon 6.159 Schwerverletzte
      (9 % aller Schwerverletzten)

      In der Bundesrepublik Deutschland 2000 bis 2009

      In zehn Jahren 57.807 Getötete auf deutschen Straßen.
      Davon starben 7.114 bei Verkehrsunfällen in Zusammenhang mit Alkohol.
      Das sind etwa 12 % der in diesen 10 Jahren Getöteten.

      In der EU

      Bis zu 10.000 Getötete jährlich
      (ca. 25 % aller Getöteten bei Straßenverkehrsunfällen; ca. 35 % aller getöteten Fahrer)
      Es ist EU-weit von einer Dunkelziffer auszugehen, da
      • nicht bei jedem Unfallbeteiligten Alkoholkonsum überprüft wird
      • bei Unfallflüchtigen, die nicht ermittelt werden können, Alkohol im Spiel gewesen sein könnte.

      EU-weit gehört das Fahren unter Alkoholeinfluss neben dem Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit und dem Nicht-Angurten zu den Hauptunfallursachen schwerer und tödlicher Verkehrsunfälle.


  • III. Was spricht für ein Alkoholverbot am Steuer?

    1. Es besteht die Chance, dass mit der Umsetzung eines Alkoholverbots im Straßenverkehr die Zahl der Getöteten und Schwerverletzten aufgrund von „Alkoholunfällen“ signifikant zurückgeht. Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist jüngst in seinem Gesamtkonzept „Sicherheit zuerst – Möglichkeiten zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit in Deutschland“ zu dem Schluss gekommen, dass für ein Alkoholverbot am Steuer eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz zu erwarten sei und dieses dann zum richtigen Zeitpunkt eingeführt werden sollte.

    2. Das vor einigen Jahren mit Unterstützung des DVR eingeführte Alkoholverbot für Fahranfänger in der (regelmäßig) zweijährigen Probezeit und für Personen vor Vollendung des 21. Lebensjahres, welches in § 24 c Straßenverkehrsgesetz (StVG) als „Handlungsverbot“ ausgestaltet ist, zeigt bereits Wirkung. Dies hat eine aktuelle Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) nachgewiesen. Trunkenheitsfahrten gehen in diesem Segment zurück und somit nimmt auch die Zahl der Getöteten und Schwerverletzten ab.
      Nach einem Jahr Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen ergab sich ein überdurchschnittlicher Rückgang aller festgestellten Alkoholverstöße bei den 18- bis unter 21-Jährigen um 17 Prozent.
      Der Rückgang bei den über 21-Jährigen betrug lediglich 2,5 Prozent.
      Der Rückgang der Zahl unfallbeteiligter Fahranfänger (Pkw) mit BAK-Wert von mindestens 0,3 Promille betrug laut BASt 15 Prozent.
      Die Altersgrenze (Vollendung des 21. Lebensjahres) war seinerzeit willkürlich gewählt. Das Jugendlichkeitsrisiko besteht mindestens bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres fort.

    3. Die Prüfung des Übermaßverbotes führt zu dem Ergebnis, dass die Einführung des Alkoholverbotes im Straßenverkehr einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgt. Er besteht darin, die Allgemeinheit und den einzelnen Verkehrsteilnehmer vor Fahrzeugführern, die unter dem Einfluss von Alkohol schwere Verkehrsunfälle verursachen, zu schützen. Zudem ergibt die Prüfung am Maßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dass ein Alkoholverbot im Straßenverkehr (verbunden mit einer Sanktionierung) geeignet ist, weil es die Verminderung der Zahl der Schwerverletzten und Getöteten, die auf Alkoholunfälle zurückzuführen sind, zumindest fördert.
      Es ist kein anderes Mittel verfügbar, das in gleicher Weise geeignet wäre, den genannten Zweck zu erreichen. Schließlich stehen die Nachteile des Alkoholverbotes im Straßenverkehr nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen, das es bewirkt. Dass der Verkehrsteilnehmer gänzlich auf Alkohol verzichten muss, wenn er am Straßenverkehr teilnehmen will, schränkt ihn zwar in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ein. Dies ist aber gerechtfertigt, weil die uneingeschränkte Handlungsfreiheit gegenüber dem Interesse des Einzelnen, im Straßenverkehr nicht verletzt zu werden, zurückzutreten hat. Der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit aller Verkehrsteilnehmer ist vorrangig gegenüber einer Teilgruppe von Verkehrsteilnehmern, die trotz der Teilnahme am Straßenverkehr nicht auf den Konsum von Alkohol verzichten möchte.

    4. In Teilen der Bevölkerung herrscht die Annahme vor, dass man durchaus eine gewisse Menge Alkohol zu sich nehmen könne, ohne dass sich dies auf das Fahrverhalten negativ auswirke. Beeinträchtigungen durch Alkohol beginnen jedoch bereits bei einer geringen Dosis.

    5. Es ist aufgrund natürlicher Prozesse möglich, eine Blutalkoholkonzentration (BAK) aufzuweisen, ohne Alkohol getrunken zu haben. Gleichzeitig ist ein tatsächlich negativer Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit erst ab einer BAK von 0,2 Promille wissenschaftlich nachgewiesen. Es sollte daher in einer Gesetzesbegründung klar gestellt werden, dass mit der Formulierung „unter der Wirkung alkoholischer Getränke“ eine BAK oberhalb von 0,19 Promille verstanden wird.

    6. Die vielen unterschiedlichen (Ahndungs-) Grenzwerte führen zu einer gewissen Verwirrung bei den Verkehrsteilnehmern. Durch ein Alkoholverbot könnte man hier zu einer Klarheit kommen, die auch richtiges Verhalten fördern würde.

      • Die Grenzwerte in Deutschland:

        0,3-1,09 Promille relative Fahruntüchtigkeit;
        ab 1,1 Promille absolute Fahruntüchtigkeit

        Die relative Fahruntüchtigkeit wird im Gegensatz zur absoluten Fahruntüchtigkeit nicht nur an einen bestimmten Promillewert gebunden, sondern bezieht auch das jeweilige Verhalten des Fahrers/der Fahrerin mit ein. Werden bei einem Kraftfahrzeugführer Ausfallerscheinungen bemerkt oder verursacht er eine gefährliche Verkehrssituation oder einen Unfall und wird eine Blut-Alkohol-Konzentration (BAK) von 0,3 Promille oder mehr festgestellt, dann ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Alkohol (eine) der Ursachen für diese relative Fahruntüchtigkeit gewesen ist. Wird dies nachgewiesen, kommt eine Verurteilung wegen einer Straftat in Betracht.

        Wer mit 0,5 bis 1,09 Promille ohne Ausfallerscheinungen und / oder Verursachen einer gefährlichen Verkehrssituation / eines Unfalls ein Kraftfahrzeug führt, begeht „nur“ eine Ordnungswidrigkeit.
        Bei einem BAK -Wert ab 1,1 Promille beginnt der Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit.
        Wer als Führer eines Kraftfahrzeuges so viel oder mehr Alkohol im Blut oder in der Atemluft hat, gilt allein deswegen und ohne dass der Beweis des Gegenteils möglich wäre, als unfähig am Straßenverkehr teilzunehmen und macht sich strafbar.
        Fahrradfahrer/innen gelten ab 1,6 Promille als absolut fahruntüchtig.
        Alle Grenzwerte gelten auch für Begleiter/innen des Begleiteten Fahrens ab 17 Jahre. Für Fahranfänger/innen innerhalb der Probezeit sowie für Fahrerinnen und Fahrer unter 21 Jahren gilt ohnehin ein absolutes Alkoholverbot am Steuer. Gleiches gilt für Berufskraftfahrer bei der Ausübung ihrer Tätigkeit.
        Hieraus folgt fast zwangsläufig Unkenntnis des einzelnen Verkehrsteilnehmers über diese Regelungen.
      • In einer aktuellen repräsentativen Umfrage des DVR zeigt sich, dass mehr als ein Drittel der Befragten noch nicht einmal den in Deutschland gültigen 0,5 Promille-Grenzwert kennt. Acht Prozent der Befragten sind jetzt schon der Meinung, es herrsche ein Alkoholverbot. Gleichzeitig zeigt die Eurobarometer-Umfrage 2009/10 bei EU-Bürgern, dass je niedriger der gesetzlich festgelegte Alkoholgrenzwert ist, desto höher ist in der Regel das Wissen um die Promillegrenze. Beispiele:

        Korrelation ‰ – Grenzwert und Wissen

        I:      0,5 ‰ 0 % r
        B:    0,5 ‰ 18 % r
        SE:  0,2 ‰ 52 % r
        CZ:  0,0 ‰ 75 % r   (r=richtig)

        Quelle: Eurobarometer-Umfrage 2009/10


      • Vor allem ein Umstand ist als bedenklich einzustufen: Es ist jedem Einzelnen überlassen zu entscheiden, ob sein Alkoholgehalt noch unter einem bestimmtem Grenzwert liegt oder nicht. Der Staat lässt die Bürger mit einer Regelung allein, deren Einhaltung der Einzelne nicht überprüfen kann.
        Die Erfahrung in der Präventionsarbeit zeigt zudem: Je klarer die Regeln sind, desto eindeutiger) die Einhaltung der Vorschriften. „Kein Alkohol am Steuer“ ist für jeden klar zu definieren.
      • Auch Mitfahrern und Angehörigen würde diese Klarheit helfen.

    7. Akzeptanz:
      • Schon jetzt ist eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung der Ansicht, dass der Konsum von Alkohol und das nachfolgende Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr zu verbieten sind, wie eine aktuelle repräsentative Umfrage des DVR zeigt (Anlage).
        Ein Alkoholverbot würde die in einer Minderheit der Bevölkerung noch vorhandene Akzeptanz für Fahrten unter dem Einfluss von Alkohol zudem weiter absenken.
      • Laut der Eurobarometer-Umfrage zur Verkehrssicherheit vom Juni 2010 betrachtet eine überwältigende Mehrheit von 94 % der EU-Bürger das Fahren unter Alkoholeinfluss als ein großes Sicherheitsproblem. Es war in der Umfrage auch das meistgenannte Problem, dem die Regierungen mehr Aufmerksamkeit schenken sollten.
      • Laut einer Studie im europäischen Projekt SARTRE III würden 59 % der befragten Verkehrsteilnehmer ein Alkoholverbot unterstützen. In den Ländern, in denen ein niedriger Alkoholgrenzwert gültig ist, geben mehr Befragte an, dass überhaupt kein Alkohol getrunken werden sollte.

      • Ein Alkoholverbot im Straßenverkehr würde der widersprüchlichen Argumentation entgegenwirken, die von dem Gedanken getragen ist, dass sich jeglicher Alkoholkonsum in jüngeren Jahren negativ auf das Führen eines Fahrzeuges auswirkt, während das ab der willkürlich gezogenen Grenze von 21 Lebensjahren plötzlich nicht mehr der Fall sein soll. Ein Alkoholverbot würde daher die besondere Vorbildfunktion und die Glaubwürdigkeit erfahrener Verkehrsteilnehmer gegenüber den jungen Menschen stärken.

      • Ein Alkoholverbot für alle Verkehrsteilnehmer würde den Widerspruch beseitigen, der darin besteht, dass Berufskraftfahrer aus Gründen der Verkehrssicherheit bereits nach § 8 Abs. 3 BOKraft einem Alkoholverbot unterworfen sind, während dies bei den meisten anderen Verkehrsteilnehmern nicht der Fall ist.

      • Ein Alkoholverbot im Straßenverkehr unterstützt in herausragender Weise die Arbeit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und passt sehr gut in den weltweiten und europäischen Kontext zur Zurückdrängung der „Volksdroge“ Alkohol.

      • Mit der Forderung nach dem Alkoholverbot könnte sich der DVR in seiner Kommunikationsarbeit deutlich überzeugender als bisher für eine absolute Trennung von Alkoholgenuss und dem Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr einsetzen: Der Gesetzgeber machte damit deutlich, dass er ein Heran-Trinken an eine Promillegrenze keinesfalls tolerieren möchte.

      Eine solche neue Regelung hätte darüber hinaus den Vorteil, dass sie leicht kommunizierbar und sofort verständlich wäre.

Beschluss

In Sorge um die Verkehrsteilnehmer, die aufgrund nicht ausreichender Schutzmaßnahmen in der Folge von „Alkoholunfällen“ in der Zukunft ums Leben kommen oder schwer verletzt werden,

in der Überzeugung, dass sich das Handeln einer Verkehrssicherheitsorganisation einzig und allein am Schutz der Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren des Straßenverkehrs auszurichten hat,

nach eingehender Prüfung zahlreicher Statistiken und wissenschaftlicher Untersuchungen,

nach ausführlicher Prüfung des Willkürverbotes und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und damit einhergehender intensiver Abwägung der Interessen des Einzelnen an möglichst ungehinderter Ausübung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit mit den Interessen der Allgemeinheit und des Einzelnen vor vermeidbaren Gefahren des Straßenverkehrs,

spricht sich der Deutsche Verkehrssicherheitsrat für ein Alkoholverbot am Steuer aus.

Dazu könnte der §24a StVG neu gefasst werden und damit eine Gleichbehandlung aller Kfz-Führer bringen: „Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er unter der Wirkung alkoholischer Getränke steht.“


gez.
Dr. Walter Eichendorf
Präsident

 

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